Über ein symbolstarkes Portal eröffnet die Stadtkirche dem Besucher zwei Möglichkeiten.

Leonberg - Gelegentlich reicht ein kurzer Weg, eigentlich nur ein Schritt, um von der Kirche ins Paradies zu gelangen. Zumindest was die evangelische Stadtkirche in Leonberg betrifft. Da ist sogar der Schritt in umgekehrter Richtung möglich, vom Paradies kann nämlich auch ins Gotteshaus eingetreten werden.

 

Das soll jetzt nicht zu einer theologischen Abhandlung werden, sondern diese Möglichkeiten sind einfach durch die baulichen Gegebenheiten vor Ort bestimmt. Denn eine solche Eingangshalle, wie die Kirche im Westen vorweist, trägt in der sakralen Architektur seit vielen Jahrhunderten auch den Namen Paradies.

Dass möglichst viele den Weg in das Paradies finden, ist nicht das Verdienst des Stadtpfarrers Matthias Krack, noch das des um die Ecke residierenden evangelischen Dekans Wolfgang Vögele, sondern seiner Mitarbeiterin Ingrid Sauer-Eisenhardt. Jeden Morgen, bevor sie ihren Dienst antritt, sperrt sie seit mehr als 20 Jahren die Kirchentür auf. Das war nicht immer so, denn es liegt nicht in der Tradition evangelischer Kirchen, dass sie tagsüber öffentlich für jedermann zugänglich sind. Auf Anregung unserer Zeitung, dass so repräsentative Kirchen wie die Stadtkirche und die Michaelskirche in Eltingen auch Ortsfremden zugänglich gemacht werden könnten, hat der Gesamtkirchengemeinderat seinerzeit beschlossen, die beiden Kirchen tagsüber offen zu halten.

Der Weg ins Paradies führt durchs Westportal

Dabei tritt der Besucher in Eltingen ganz profan von der Straße ein und nicht so erhaben durch das Paradies wie in der Stadtkirche. Der Weg von und ins Paradies führt hier durch das Westportal. Dieses ist nicht nur einfach eine Kirchentür, sondern es beinhaltet auch viel Symbolik. Die künstlerische Gestaltung des Portals zum Paradies, stammt vom Stuttgarter Künstler Ulrich Henn (1925 – 2014).

Leiten ließ sich dieser bei der Gestaltung der beiden Bronze-Reliefs der Tür von den Stichworten der Sammlung und der Sendung der Gemeinde. Das linke Relief zeigt die Berufung des Apostels Petrus zum „Menschenfischer“, während das rechte die Aussendung der Jünger Christi „Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker“ darstellt. Der Türgriff in der Gestalt eines Löwen soll nicht nur an das Leonberger Wappentier, den Löwen erinnern. Er steht auch für die Vision der Offenbarung, wo vom Gekreuzigten als Lamm und als „Löwe von Juda“ die Rede ist.

Zurück zu den Ursprüngen

Entstanden ist das Westportal in seiner heutigen Aufmachung während der großen Kirchenumgestaltung in den Jahren 1962 und 1963. Die wichtigste damalige Entscheidung war die Wiederherstellung auf die ursprüngliche axiale Ausrichtung der Kirche auf den Chor. Der kam erst so richtig in seinen vollendeten Proportionen zur Geltung, nachdem die Orgel und die Seitenemporen entfernt wurden. Die alte Barockkanzel wurde an die rechte Seite des Triumphbogens versetzt und der Altar mit dem Kruzifix erhielt seinen Platz im Chor. Die farbigen Chorfenster, die Jesus als Diener der Menschen, als Wahrheitszeugen und als Weltenrichter zeigen, wurden auch im Jahr 1963 geschaffen.

Der älteste Teil der Stadtkirche wurde als dreischiffige Pfeilerbasilika in der Übergangszeit zwischen Romanik und Gotik erbaut, kurz nach der Stadtgründung 1248/49 durch die Württemberger. Aus dieser Zeit stammen der Taufstein und ein Freskenfries über die Passions- und Ostergeschichte. In der Hochgotik kamen der Chor mit sechs Maßwerkfenstern, die nordöstliche Seitenkapelle und die Vorhalle hinzu.

Ende des 15. Jahrhunderts entstand die Marien-Kapelle, als das Ostende des nördlichen Seitenschiffs verbreitert wurde. Auch die Sakristei ist dann gebaut worden. Der Turm wurde 1574 von ursprünglich drei auf fünf Geschosse erhöht und es kamen wohl auch der Turmumgang, die glockenförmige Dachhaube und die vier Löwen von Jeremias Schwartz dazu. 1680 ist der Innenraum umgestaltet und mit einer Kanzel und einem Altar im barocken Stil ausgestattet worden, was 1962 abgeändert wurde.