Die kleine Schweizer Weltmetropole betreibt konsequent die Verringerung des Autoverkehrs im Zentrum – samt Pförtnerampeln und Verlagerung von oberirdischen Parkplätzen. Eine kommunalpolitische Delegation aus Stuttgart suchte dort Inspiration.

Stuttgart - Zwei Tage lang hatten sie sich mit einer städtischen Delegation in Zürich umgesehen, dann lehnten sich Stuttgarts Erster Bürgermeister Fabian Mayer (CDU) sowie der Bau- und Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) aus dem Fenster. Die Stadt in der Schweiz fördere massiv den öffentlichen Nahverkehr, baue oberirdische Parkplätze im Zentrum zurück und wolle bis 2025 eine stadtverträgliche Mobilität erreichen, den Autoverkehr auf 20 Prozent zurückfahren, sagte Pätzold. Und wörtlich in einer Pressemitteilung: „Das sind Vorhaben, die sicher auch in Stuttgart funktionieren.“

 

Kann man von Zürich wirklich lernen, in der mit Autos vollgestopften Stuttgarter Innenstadt entspanntere Lebensverhältnisse zu schaffen? Und den drastischen Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu entschärfen? Das wollte die 25-köpfige Delegation mit Vertretern der Gemeinderatsfraktionen mit der zweitägigen Reise in die Schweiz unter anderem herausbekommen – so wie Ende 2018 auch schon eine Delegation in Hamburg dortige Ideen sondiert hatte. Damit sich Stadträte wie vor etlichen Jahren auf Reisen wieder bilden und auch in anderer Hinsicht fortbilden können, hatte der Gemeinderat Ende 2017 ein Budget von jährlich 150 000 Euro eingeführt. Gesucht werden Inspiration und neue Ideen für die strategische Ausrichtung der Stuttgarter Kommunalpolitik, sagte Mayer.

Bürgermeister Mayer beeindruckt von Provisorium

In Zürich imponierte ihm, wie die Stadt unter ähnlichen topografischen Einschränkungen wie in Stuttgart dem Bevölkerungswachstum von jetzt 420 000 Einwohner auf vermutlich 520 000 Einwohner im Jahr 2040 begegne. Und wie dort mit der „beeindruckenden Tonhalle Maag“ ein Konzerthaus-Provisorium funktioniert, während die historische Tonhalle am See saniert wird.

Pätzold fand eindrucksvoll, wie Zürich die Gestaltung von Stadtraum mit einer nachhaltigen Verkehrspolitik verbinde. Dieser Befund könnte allerdings die CDU noch sehr beschäftigen. Der Abbau von oberirdischen Parkplätzen im Stuttgarter Zentrum wird von ihr wie auch die Forderung der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus nach Pförtnerampeln am Stadtrand heftig bekämpft. Am Fluss Limmat bekamen die CDU-Delegationsmitglieder um Fraktionschef Alexander Kotz ein Plädoyer für die Pförtnerampeln zu hören.

Pförtnerampeln in Zürich unverzichtbar

Ohne konsequente Dosierung der Autos am Stadtrand könnte man in Zürich die Ziele bei der Forcierung des öffentlichen Nahverkehrs vergessen, sagte Christina Spoerry, Expertin der Zürcher Stadtverwaltung aus dem Geschäftsbereich Verkehr und Stadtraum. Daher produziere man bewusst Rückstaus. Die stimmberechtigten Bürger, die bei den Themen des öffentlichen Verkehrs oft auf offene Ohren stießen, hätte in einer Volksabstimmung mehrheitlich beschlossen, dass der Autoverkehr von jetzt 30 Prozent weiter gesenkt werden soll. Er dürfe keine zusätzlichen Kapazitäten bekommen.

In manchen Stadtvierteln und Wohnanlagen fordert die Stadt nur noch rechnerisch 0,2 Autos pro Wohnung. Bei der Bevölkerung ist die Autobegeisterung allerdings auch verhalten: über 50 Prozent der Haushalte hätten kein Auto mehr, Garagen stünden leer, berichtet die Zürcher Stadtverwaltung. Zum Vergleich: In Stuttgart beträgt der Anteil des Autoverkehrs fast 45 Prozent.

Besonders das Thema Parken ist auch in Zürich nicht unumstritten, machte Christina Spoerry deutlich. 1996 kam es jedoch zu einem „historischen Parkplatzkompromiss“: Im Zentrum sollen im Stadtraum Parkplätze verschwinden, aber nur in dem Maße, wie in Tiefgaragen neue entstehen. Das dient der Aufenthaltsqualität für Fußgänger im Zentrum, der Rückbau von Parkplätzen und Autospuren wiederum auch dem verzweifelten Kampf um mehr Platz für Straßenbahnen, Fahrradfahrer und Fußgänger. Zürich musste was tun, sagte Spoerry, denn die Stadt mit ihren Autobahnen bis in die Innenstadt hinein sei irgendwann nicht mehr attraktiv gewesen. Inzwischen zieht es die Menschen mächtig nach Zürich, und es wird viel getan, um ausreichend angemessenen und angemessen günstigen Wohnraum zu bieten. Dabei setzt man wie in Stuttgart auf mehr Dichte, Innenentwicklung, Nutzung von Gewerbebrachen und Schutz von Freiflächen. Und der Städtebau experimientiert mit unterschiedlichsten Wohnformen, wobei 110 Wohnungsbaugenossenschaften eine wichtige Rolle spielen.

Gemischte Gefühle bei den Gästen aus Stuttgart

Gemeinsame Waschsalons in Foyers von Wohnkomplexen? Genossenschaftliche Vorgaben zur Autolosigkeit? Alterswohngemeinschaften neben Studentenwohnungen in Wohnhäusern mit mannigfaltigsten Wohnungsgrundrissen? Die CDU-Stadträte würden „lieber nicht“ in die Vorzeigewohnanlage auf dem ehemaligen Betonwerkareal Hunziker ziehen, Eberhard Brett (AfD) dagegen „sofort einziehen“.. Und Luigi Pantisano (SÖS) witzelte: „Ich bleibe in Zürich.“ Zumal Forderungen seiner Fraktionsgemeinschaft wie die, dass die Stadt keine Grundstücke mehr verkauft, sondern nur in Erbpacht abgibt, hier schon Wirklichkeit sind.