Eine Traditionseinrichtung in modernem Gewand: Die Leiterin des Standesamtes, Manuela Schmidt, erklärt die Neuerungen in ihrem Amt.

Ludwigsburg – - Ein saniertes Trauzimmer und neue Arbeitsabläufe: Im Ludwigsburger Standesamt hat sich einiges verändert. Auch bei den Eheschließungen: Die Zahl ist zwar konstant, doch die Paare haben immer höhere Ansprüche und immer mehr Partner kommen aus dem Ausland – eine Herausforderung für die Mitarbeiter.
Frau Schmidt, das Trauzimmer ist frisch saniert und kommt nun festlich und gleichzeitig ungewöhnlich daher. Sind die Ansprüche an Hochzeiten beim Standesamt gestiegen?
Wir merken schon, dass viele Paare, die nicht in der Kirche heiraten, jetzt mehr vom Standesamt erwarten. Für sie ist das die einzige Trauung, deshalb soll diese oft ganz besonders sein. Wir versuchen schon, auf die Wünsche der Bürger einzugehen, aber wir können eine kirchliche Trauung nicht ersetzen. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Manchmal müssen wir das deutlich sagen, zum Beispiel, wenn ein Paar möchte, dass wir etwas sehr Persönliches vorlesen. Dann empfehlen wir meistens, die Trauzeugen darum zu bitten. Aber mit dieser Entwicklung hat die Umgestaltung des Trauzimmers eigentlich nichts zu tun.
Sondern?
Die CDU-Fraktion im Gemeinderat hat bereits vor einigen Jahren moniert, dass der Trausaal und der Weg dorthin nicht angemessen seien: Der Flur war mit dunklem Linoleum ausgelegt, die Treppe ebenso, und im Gang hing ein Handwaschbecken. Das war in der Tat nicht so schön. 2013 beantragte die CDU erneut eine Renovierung – daraufhin stellte uns die Stadt 40 000 Euro zur Verfügung. Davon wurden das Treppenhaus, der Flur und das Trauzimmer selbst modernisiert. Jetzt läuft man über schönen Holzboden in einen hellen Raum, der sogar mit Lampen in Form von Trauringen beleuchtet wird. Die Tapete mit der Bilderrahmen-Optik ist zwar nicht jedermanns Geschmack, aber sie ist besonders, und den meisten Leuten gefällt sie.
Auch bei den Arbeitsabläufen haben Sie eine Modernisierung forciert. Wie sieht Ihr Modell aus?
Wir rotieren jetzt im Wochenrhythmus die Arbeitsplätze. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass sich jede Mitarbeiterin in jedem Bereich auskennt. Es ist also für niemanden ein Problem, eine Kollegin zu vertreten. Allerdings hat es eine Weile gedauert, bis der Prozess abgeschlossen war. Problematisch war vor allem der Wissenstransfer. Zudem mussten die Mitarbeiterinnen viele Gewohnheiten aufgeben – vor allem die, einen eigenen Arbeitsplatz zu haben. Das war nicht leicht.
Wie haben Sie das Problem gelöst?
Jede Mitarbeiterin hat nun einen Rollcontainer, in dem die Dokumente verstaut sind, die sie persönlich bearbeitet. Außerdem ist jeder Arbeitsplatz genau gleich eingerichtet, so dass man sich sofort zurechtfindet. Selbst in den einzelnen Schubladen der Schreibtische befinden sich stets die gleichen Dinge. Das haben meine Mitarbeiterinnen so gewünscht. Inzwischen – nach anderthalb Jahren Umstellungszeit – finden sie diese Art des Arbeitens ganz toll. Denn durch das Rotieren ist ihr Job sehr abwechslungsreich. Zudem sind der öffentliche Bereich und der Bereich für die Hintergrundarbeit jetzt strikt getrennt – die Kolleginnen müssen also nicht mehr ständig ihre Arbeit unterbrechen, wenn ein Bürger ein Dokument abholen will.
Wie hat sich der Bereich der Trauungen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Es gibt immer mehr Eheschließungen, bei denen mindestens ein Partner aus dem Ausland kommt. Das bedeutet, dass wir uns mit den rechtlichen Gegebenheiten in vielen verschiedenen Ländern auskennen müssen – in Ludwigsburg sind Menschen mit 138 unterschiedlichen Nationalitäten gemeldet. Allein schon bei der Namensgebung gibt es zig verschiedene Vorgaben. In manchen Ländern ist es gang und gäbe, dass jeder seinen Namen behält, in anderen wird automatisch der Name des Mannes zum Ehenamen, in wieder anderen können die Partner einen gemeinsamen Doppelnamen führen. Wir müssen dann wissen, ob der Wunsch des Paares nach dem jeweiligen Heimatrecht möglich ist.
Nimmt die Zahl der Heiraten zu oder ab?
Wir hatten 2014 etwa 490 Trauungen. Diese Zahl ist seit Jahren recht stabil, da gibt es keine großen Veränderungen. Allerdings ist es ein weit verbreiteter Trugschluss, dass die Eheschließungen den größten Teil der Arbeit im Standesamt ausmachen. Wir müssen uns sehr viel mehr mit Geburten und Todesfällen beschäftigen. Zum Vergleich: im vergangenen Jahr haben wir rund 2200 Geburten beurkundet. Aber auch für Namensänderungen und Kirchenaustritte sind wir zuständig, ebenso für die Dokumentation von Scheidungen.
Welchen Trend gibt es bei den Kirchenaustritten?
Die Zahlen gehen ganz massiv nach oben, das ist wirklich Wahnsinn. Im Jahr 2014 haben wir etwa 600 Kirchenaustritte bearbeitet. Das sind fast doppelt so viele wie 2011: da waren es 352. Für viele waren die in den vergangenen Jahren ans Licht gekommenen neuen Erkenntnisse über die katholische Kirche ein Anlass zum Austritt, aber auch Sparwünsche sind oft ausschlaggebend. Richtig bitter ist es, wenn ältere Damen kommen, denen man anmerkt, dass sie der Kirche gar nicht den Rücken kehren wollen, die aber sagen, sie können sich die Kirchensteuer nicht mehr leisten.
Beim Job des Standesbeamten denken viele zunächst an trockene Verwaltungsarbeit. Sie scheinen aber doch recht viel von den Menschen mitzubekommen.
Manchmal sogar mehr, als uns lieb ist (lacht). Nein, es stimmt: Wir sind mitten im Leben. Bei uns bilden sich alle gesellschaftlichen Entwicklungen ab. Jetzt zum Beispiel haben wir viel mit Flüchtlingen zu tun. Auch sie bekommen Kinder und wollen heiraten. Aber Letzteres ist gar nicht so einfach, wenn persönliche Dokumente fehlen. Da müssen wir uns dann unter Umständen mit eidesstattlichen Versicherungen von Verwandten weiterhelfen – oder den Akt verweigern. Bei uns wird die Arbeit nie zur Routine, auch bei den Trauungen nicht. Denn die Leute sind immer unterschiedlich. Deshalb liebe ich meinen Job.