Nach dem Bürgerentscheid in Tuningen sucht das Land einen neuen Standort für den Neubau einer Justizvollzugsanstalt. Rottweil, Villingen-Schwenningen und Meßstetten konkurrieren um das Großgefängnis. Ob die Bürger dies so mittragen, wird sich zeigen.

Rottweil, Villingen-Schwenningen, Meßstetten - Mit deutlicher Mehrheit haben die Bürger in Tuningen im Schwarzwald-Baar-Kreis den Bau eines Großgefängnisses auf einer Industriebrache abgelehnt. 56,8 der Bürger stimmten bei einer Beteiligung von 73,1 Prozent gegen die Justizvollzugsanstalt (JVA) mit rund 500 Insassen, 43,2 Prozent waren dafür. Damit wurde das notwendige Quorum erreicht, sagte der Bürgermeister Jürgen Roth der Nachrichtenagentur dpa. Das Vorhaben, das Roth und der Gemeinderat befürwortet hatten, sei damit vom Tisch. „Wir hätten uns ein anderes Ergebnis gewünscht, doch wir respektieren das Votum der Menschen in Tuningen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Justizministers Rainer Stickelberger und des Finanzministers Nils Schmid (SPD) sowie der für Bürgerbeteiligung zuständigen Staatsrätin Gisela Erler (Grüne).

 

Landesregierung startet neuen Suchlauf für Gefängnis

Die Landesregierung sucht nun nach einem neuen Standort für die JVA. Dabei kann sie auf die Bewertung eines Standortsuchlaufs vom Januar 2013 zurückgreifen. Damals wurden – wegen des „Rechts auf eine heimatnahe Unterbringung von Häftlingen“ – acht potenzielle Standorte für eine moderne Haftanstalt im Dreieck Tuttlingen, Rottweil und Villingen-Schwenningen gesucht als Ersatz für kleine und alte Gefängnisse. Drei weitere Orte außerhalb dieses Bereiches – Hechingen, Meßstetten und Rottenburg – wurden auf deren Drängen mit geprüft. Wie die Minister Stickelberger und Schmid ankündigten, sollten nun „zügig“ die Vor- und Nachteile der weiteren Standorte in Weigheim (Villingen-Schwenningen), Rottweil und Meßstetten „vertiefend geprüft und gegeneinander abgewogen werden“. Offensichtlich rückt die Regierung von ihrer ursprünglichen Bewertung ab. Denn Meßstetten liegt nicht nur abgeschlagen auf Rang neun, sondern auch außerhalb des geplanten Bereichs.

Diese Bewertung kann der Bürgermeister von Meßstetten nicht nachvollziehen. Er wolle diese Einschätzung jetzt hinterfragen, sagt Lothar Mennig. Denn mit dem 56 Hektar großen Gelände der seit Ende Juni verwaisten Zollernalbkaserne hätte die Stadt einen idealen Bauplatz. Zudem könnte mit dem Großgefängnis ein Teil der wirtschaftlichen Folgen des Abzugs der Bundeswehrsoldaten aufgefangen werden. Das sehe auch der Gemeinderat so, sagt der Bürgermeister und verweist auf einen entsprechenden Beschluss vor zwei Jahren.

Rottweil will Justizstandort stärken

Der Bau eines Gefängnisses sei kein Konversionsprojekt, sagt der Rottweiler Oberbürgermeister Ralf Broß. Seit bald fünf Jahren machen sich Broß und der Gemeinderat für eine Haftanstalt stark, die den Justizstandort Rottweil stärken würde. Gleich vier mögliche Flächen hat die Stadt angeboten. Eine lehnt das Land wegen des problematischen Gipsuntergrundes ab. „Für einen Bauingenieur ist dies kein Ausschlusskriterium“, betont Broß. Gegen eine zweite mitten im Wald kämpft eine Bürgerinitiative. Tatsächlich aber liegen die beiden anderen – Esch und Hochwald, beide in Privatbesitz – in der Landesbewertung gleichauf auf Rang vier. Für den Standort Esch habe der Gemeinderat „kommunalpolitischen Konsens“ angekündigt, sagt Broß. Nun sei das Land am Zug.

Auch der OB von Villingen-Schwenningen, Rupert Kubon, hat positive Beschlüsse des Gemeinderats und des Ortschaftsrats Weigheim. Kubon meldet klare Ansprüche an und verweist darauf, dass er bereits damals über diese „nicht nachvollziehbare Entscheidung“ für Tuningen „sehr verärgert“ gewesen sei. Der Standort in Weigheim liegt auf Rang vier. Der OB geht davon aus, dass dieser nun für die Landesregierung „oberste Priorität“ haben werde.

Alte Haftanstalten sind zu klein und zu teuer

Schwachstellen Die Schwachstellen der Gefängnisse im Land hatte schon die schwarz-gelbe Landesregierung 2007 in ihrem „Haftplatzentwicklungsprogramm Justizvollzug 2015“ aufgelistet: Zu alt, zu klein und deshalb zu teuer seien die bestehenden Justizvollzugsanstalten (JVA). Zwei Drittel der Gebäude wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg errichtet. In zahlreichen Gefängnissen ist nur Platz für einige Dutzend Häftlinge.

Neubauten Dabei sollte eine JVA im kostspieligen geschlossenen Vollzug mindestens 240 Häftlinge haben, besser noch 500 bis 700. Die vielen kleinen Gefängnisse sollten deshalb geschlossen und zwei neue Haftanstalt für jeweils mindestens 500 Insassen in Offenburg und im Raum Rottweil gebaut werden. Doch während die neue JVA in Offenburg bereits seit dem Jahr 2009 in Betrieb ist, scheiterten die Pläne in Rottweil und Tuningen im Schwarzwald-Baar-Kreis.