Aufsteiger gelten im Handball immer auch als Abstiegskandidat: Der HBW Balingen-Weilstetten will in der am Donnerstag beginnenden Saison die Regel aber zur Ausnahme machen.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Balingen - Der Aufsteiger rangiert schon mal auf Platz eins. Zumindest bei den Mannschaftvorstellungen im Sonderheft des Fachmagazins „Handballwoche“. Was allerdings mit dem Einmaleins der deutschen Sprache zusammenhängt. Balingen-Weilstetten hat im Alphabet der Bundesliga eben die Nase vorne, und danach sind die 18 Teams abgehandelt. Doch am Saisonende wären die HBW-Verantwortlichen schon froh, wenn das Team den drittletzten Platz sicher hätte – und damit den Klassenverbleib.

 

Denn noch immer gilt im Handball: Aufsteiger sind Abstiegskandidaten, zumal wenn man wie die „Gallier von der Alb“ über einen Etat von lediglich drei Millionen Euro verfügt, der zu den drei niedrigsten der Liga zählt. Weshalb der Verein aus der Not eine Tugend macht und so intensiv wie kaum ein Konkurrent auf den eigenen Nachwuchs setzt. Gleich sieben Spieler kommen aus den eigenen Reihen, ein Jona Schoch (TV Neuhausen) noch gar nicht eingerechnet. „Das ist unser Weg, den wir konsequent weiter bestreiten wollen“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Strobel, langjähriger Spieler und Kapitän der Mannschaft. Auch dessen nahtloser Übergang ins Management vor nunmehr vier Jahren spricht für die Kontinuität, die der Verein vorlebt. Weshalb die Mannschaft nach dem Aufstieg auch ganz gezielt nur auf drei Positionen verstärkt worden ist. Im Tor soll der Däne Mike Jensen den Abgang des etablierten Tomas Mrkva („er hinterlässt eine große Lücke“, so Trainer Jens Bürkle) kompensieren, und im rechten Rückraum konnte mit Vladan Lipovina von den Rhein-Neckar Löwen für HBW-Verhältnisse sogar ein Transfer-Coup gelandet werden, der – anders als in der Vergangenheit mal mit Weltmeister Pascal Hens geschehen – auch sportlich Furore machen soll. Der Montenegriner bringt Erfahrung mit, ist aber mit 26 Jahren noch lange kein Auslaufmodell. „So ein Typ hat uns gefehlt“, sagt Strobel. „Das Wichtigste war für ihn, dass er bei uns Spielpraxis bekommt.“ Die bekommt nun auch Filip Taleski, der am Dienstag kurzfristig für den linken Rückraum verpflichtet wurde, ebenfalls von den Löwen, wo dem 23-jährigen Mazedonier zuletzt Romain Lagarde vor die Nase gesetzt wurde. „Er wird für die notwendige Torgefahr aus dem Rückraum sorgen, die uns bisher noch etwas gefehlt hat“, sagt Bürkle.

Nationalspieler Strobel fehlt noch

Zumal Nationalspieler Martin Strobel nach seinem im Januar bei der Heim-WM erlittenen Kreuzbandriss gerade erst wieder ins Mannschaftstraining einsteigt und im Laufe des Oktobers dann hoffentlich auch aktiv ins Geschehen. „Der große Vorteil ist, dass wir eine eingespielte Mannschaft haben“, sagt Wolfgang Strobel. Allerdings müsse jedem Spieler klar sein, dass es nicht so weitergeht wie bisher, also mit Siegesserien. Dass in der Bundesliga – mit dem Saisonstart am Donnerstag beim SC Magdeburg – ein anderer Wind weht, hat die Mannschaft vergangenes Wochenende gleich mal im DHB-Pokal zu spüren bekommen, als es gegen die nicht zu den Topteams zählende HSG Wetzlar eine 28:36-Niederlage gab. Co-Trainer Matthias Flohr: „Wetzlar hat uns ganz klar aufgezeigt, was uns in der Bundesliga erwartet. Das war ein deutlicher Qualitätsunterschied. Wir müssen jetzt schauen, dass wir uns schnell an das Niveau gewöhnen.“

Auf den raschen Lernprozess setzt auch Strobel und auf die Heimstärke – mit 27 Siegen in Serie seit Februar 2018. Die Wetzlar-Partie lässt er außen vor, bei ungewohnten Rahmenbedingungen mit nur 933 Zuschauern. Ansonsten wird die Sparkassen-Arena, im Volksmund „Hölle Süd“ genannt, wohl bei jedem Spiel ausverkauft sein, was auch an der bescheidenen Kapazität von nur 2350 Plätzen liegt. Eine Verbesserung der Situation ist schon lange ein Thema, mehr bisher aber nicht. Strobel setzt deshalb auf die Landesregierung, die im Haushalt 2020/21 wieder einen Topf für überregional bedeutsame Sportstätten plant. Nur wenn Balingen dabei zum Zuge kommt, wäre ein Hallenneubau für geschätzt 15 Millionen Euro in Angriff zu nehmen. Sonst wird es eng. „Selbst in der zweiten Liga würden wir aktuell, was die Infrastruktur angeht, nicht unter den Top fünf liegen“, verdeutlicht Strobel die Gratwanderung des HBW. Also lieber gleich drinbleiben im Oberhaus.

Ex-Trainer Brack macht Mut

Rolf Brack, einst zehn Jahre lang Trainer des HBW, macht Mut: „Ludwigshafen und Nordhorn sind sicher schwächer einzuschätzen von der Papierform her.“ Von der lässt sich Strobel nicht blenden: „Uns ist klar, dass das sehr schwer wird.“ Aber eben nicht unmöglich, wie das Beispiel der Eulen Ludwigshafen vergangene Saison gezeigt hat, die mit einem 1,2-Millionen-Etat den Klassenverbleib geschafft haben. Wenn auch erst am letzten Spieltag in letzter Sekunde. Das würde auch dem HBW schon reichen.