Das Start-up Marvel Fusion ist überzeugt, die Technik zur Realisierung für einen funktionierenden Kernfusionsreaktor gefunden zu haben, um sauberen, günstigen Strom herzustellen.

Markus Blume (CSU) blickt auf die Historie der Kernfusion zurück. „Sie ist das Dauerversprechen zur Lösung aller Energiefragen“, philosophiert Bayerns Wissenschaftsminister. Seit Jahrzehnten mühen sich Generationen von Physikern, eingelöst habe es bisher keiner. Immerhin soll auf Erden nachgebildet werden, was in der Sonne passiert – die Verschmelzung von Atomen unter Freisetzung großer und im irdischen Fall kontrollierter Energiemengen. Zur Verwirklichung dieses Traums braucht es offenbar ein Wunder. Das hofft Blume in Form eines Start-ups namens Marvel Fusion gefunden zu haben. Marvel ist das englische Wort für Wunder und Moritz von der Linden Chef und Mitgründer von Marvel Fusion. Er versprüht große Zuversicht.

 

Ein Hochleistungslaser ist Voraussetzung für den Reaktor

„Wir bauen binnen zehn Jahren oder schneller einen Fusionsreaktor“, sagt der Jungmanager. Er und Blume stehen bei ihren Worten auf einem Gelände der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) im Norden der Stadt. Dort soll sich dieses Wunder nun mittels modernster Lasertechnologie vollziehen. Denn Marvel Fusion verfolgt im Gegensatz zu gescheiterten Fusionsversuchen einen neuen technologischen Ansatz, der Atomkerne mittels Lasern verschmelzen will.

Über Computersimulationen ist das Verfahren bislang nicht hinaus. Denn heute gibt es keinen Laser, der zur Verwirklichung der Ideen von Marvel Fusion gut genug ist. Das soll sich durch die Kooperation des 2019 gegründeten Start-ups mit der LMU ändern, für die das Land Bayern 2,5 Millionen Euro spendiert. Mit dem Geld soll ein Hochleistungslaser der LMU, von deren Sorte es weltweit nur etwa zwei Handvoll gibt, derart aufgemöbelt werden, dass er die Theorien von Marvel Fusion in die Praxis umsetzen kann.

„Nach dem Upgrade wäre das dann die stärkste Laseranlage weltweit“, sagt Blume. „Wir werden schon nächstes Jahr sehr substanzielle Ergebnisse zeigen“, verspricht von der Linden mit Blick auf baldige Laserversuche. Binnen zwei bis drei Jahren werde klar sein, ob die Berechnungen und Theorien von Marvel Fusion der physikalischen Realität wirklich standhalten. In dem Fall seien per Kernfusionsreaktor anfangs Strompreise von zehn Cent je Kilowattstunde realistisch, später auch fünf Cent. 2021 lagen die Industrie- und Gewerbestrompreise in Deutschland zwischen 17 und 23 Cent.

Keine radioaktiver Müll, keine Gefahr

„Wir sind überzeugt, dass hier die entscheidenden Experimente stattfinden können“, sagt von der Linden zur Kooperation mit der LMU. Zugleich schwärmt er von der eigenen Technologie. Fusionieren will Marvel Fusion ein Gemisch aus Wasserstoff und Bor, also zwei überall verfügbare Rohstoffe, die keine neuen Abhängigkeiten schaffen. „Wir hinterlassen keinen radioaktiven Müll, unseren Brennstoff können Sie bedenkenlos anfassen“, sagt der Start-up-Chef mit Blick auf Bor. Dazu kommt, dass die Energieausbeute theoretisch riesig ist.

Im Vergleich zu Uran und Kernspaltung produziere die eigene Fusionstechnologie 150-mal mehr Energie und im Vergleich zu Kohle ein Millionenfaches. „Das ermöglicht nahezu unbegrenzte Energieversorgung und das völlig frei von klimaschädlichen Emissionen“, sagt von der Linden. Atomunfälle wie bei der Kernspaltung seien in Fusionsreaktoren unmöglich, weil es keine Kettenreaktion gibt.

Im Vergleich zu konkurrierenden Start-ups speziell in den USA sieht sich Marvel Fusion mit Blick auf Kommerzialisierung im Vorteil. Das Start-up kooperiert mit Siemens Energy als potenziellem Bauer von Fusionskraftwerken und dem Trumpf-Konzern sowie der französischen Thales als Laserherstellern.

Erst muss im Laserexperiment bewiesen werden, dass die Ideen funktionieren. Dann müsse für etwa eine Milliarde Euro ein Demonstrationsreaktor gebaut werden. Ein erster richtiger Fusionsreaktor zur Stromerzeugung koste weitere vier bis fünf Milliarden Euro. Bisher hat Marvel Fusion rund 60 Millionen Euro eingesammelt.