In Villingen-Schwenningen steht die Start-up-Welt noch am Anfang. Doch vor allem die Unternehmen der Region stehen am Ursprung von innovativen Ideen.

Villingen-Schwenningen - Hier also entspringen zugleich der Neckar und Teile der Donau. Im Schwenninger Moos hängen die ersten herbstlichen Nebelschwaden über dem schwarzen Moorwasser. Das Moor lieg genau auf der europäischen Wasserscheide. Zwei Rinnsale lassen kaum vermuten, dass hier nicht nur ein Nebenbach der Brigach als Quellfluss der Donau entspringt, sondern auch noch der schwäbischste aller Flüsse, der Neckar. Nicht die einzige Besonderheit dieser badisch-schwäbischen Stadt, deren Teilstädte Villingen und Schwenningen jeweils über 30 000 Einwohner groß sind.

 

Wenn es um Städte mit einer starken Gründerszene im Ländle geht, werden zumeist andere Städte genannt als Villingen-Schwenningen. Das liegt allerdings nicht daran, dass es hier gar keine Start-ups und Gründungen gäbe. Im Gegenteil. Nur die Vernetzung der Gründungen und auch der Gründungsinteressierten, die ist noch im Aufbau. „Villingen-Schwenningen hat viel mehr zu bieten, als auf den ersten Blick sichtbar ist,“ sagt Wirtschaftsförderer Michael Voigt. „Der Standort Villingen-Schwenningen und die ganze Region sind geprägt von zahlreichen sehr innovativen mittelständischen Unternehmen. Da ist es für Gründungen nicht immer leicht, auch gesehen zu werden.“ Nicht wenige Ausgründungen seien aus Veränderungen bei größeren Unternehmen in der Region entstanden, manche auch aus Forschungs- oder Hochschuleinrichtungen.

Bei manchem Start-up steht der Zufall Pate

Und einige waren schlicht ziemlich großer Zufall. So zum Beispiel eine der jüngsten Ideen aus Villingen-Schwenningen, das Label Neckarkind. Das Unternehmen haben Marcel Kübler und Mike Lübke erst vor wenigen Wochen gegründet. „Über meine Frau habe ich meinen Hausarzt kennengelernt,“ fasst Kübler die Geschichte dahinter zusammen. „Und nach einigen Spielbesuchen bei unserer gemeinsamen Leidenschaft, den Schwenninger Wildwings, habe ich ihm erzählt, dass ich mir vor Jahren ein T-Shirt mit dem Schriftzug Neckarkind habe drucken lassen. Schließlich war ich in Oberndorf am Neckar geboren und aufgewachsen, habe in Tübingen am Neckar studiert und war jetzt zum Arbeiten nach Schwenningen am Neckarursprung gekommen“, sagt Lübke.

Kübler, bereits Inhaber der ebenfalls vor drei Jahren gegründeten Medienagentur www.makesmile-media.de, hatte die Marke nicht mehr losgelassen. Heute gibt es auf www.neckarkind.de bereits eine ganze Shirt-Kollektion zu kaufen. Und ganz viel Lokalstolz gibt es mit dazu.

Mit Neckarkind wollen die beiden Macher den Neckar und die Menschen in seinem Umland feiern. „Wir suchen gerade nach Partnern, die Neckarkind-Shops eröffnen wollen – und wir denken über ein Neckarkind Craft Beer nach.“ Ein wenig Augenzwinkern sei ihnen wichtig. Neckarkind stehe für Offenheit, für die Macher und Erfinder der ganzen Neckarregion.

Forschung zu Mikro- und Informationstechnik

Sehr viel ernster, gleichzeitig aber auch sehr viel komplexer geht es dagegen bei Verapido Medical (www.Hahn-Schickard.de/verapido) zu. Verapido hat als Ausgründung des in Villingen-Schwenningen ansässigen Instituts für Mikro- und Informationstechnik der baden-württembergischen Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung ein neues Injektionsgerät für die Verabreichung von Impfstoffen entwickelt. Dabei wird der Impfstoff direkt in die Haut, in eine Tiefe von nur 0,8 Millimetern, und nicht wie bisher in den Muskel oder in das Unterhautfettgewebe injiziert. So entfaltet eine Impfung eine viel bessere Wirkung als über die herkömmlichen Verabreichungswege. „Damit kann nicht nur sehr teurer oder knapper Impfstoff eingespart werden, sondern es können auch wirkungsvollere Impfungen erreicht und mehr Personen geimpft werden“, sagt Markus Clemenz, der Gründer von Verapido Medical.

Eine Ausgründung mit anderen Vorzeichen ist Rainer Zwing mit seinem Team gelungen. Im Zuge der Schließung des Forschungs- und Entwicklungsstandorts der Firma Thomson konnten er und weitere Mitarbeiter 2010 eine Abteilung mitsamt einem größeren laufenden Kundenvertrag herauslösen. So entstand der Entwicklungsdienstleister C.R.S. iiMotion GmbH (www.crs-iimotion.com). Anfangs waren es neun Mitarbeiter, heute sind es 22. „Natürlich war da viel Glück mit dabei,“ sagt Zwing, „aber so eine Chance hat man nicht oft. Also haben wir sie genutzt.“ Die meisten „Gründungsmitarbeitenden“ sind Mitgesellschafter geworden. Sie tragen die Firma bis heute.

Messenger vom „Serienausgründer“

Gleich als „Serienausgründer“ ist die Truppe der AH & OH GmbH (www.ah-oh.com) von Peter Bürk unterwegs. Nachdem sie vor zwei Jahren die standortbasierten Messenger Zundr (www.zundr-app.com) ins Leben gerufen haben, ist vor Kurzem das neue Bewerbungsverfahren Einfach Bewerben (www.einfach-bewerben.de) an den Start gegangen. „Zundr war und ist noch eher experimentell unterwegs,“ sagt Bürk, „aber mit Einfach Bewerben sind wir mit einer tollen Lösung unterwegs.“ Über das Portal können Bewerber ihre Bewerbungsunterlagen in einem Online-Profil pflegen. Unternehmen können diese Bewerbungen anschauen und müssen sich im gesamten Prozess keine Sorgen um den Datenschutz machen. „Für uns sind solche Gründungsprojekte ein Herzensanliegen, unser Team kann dort anders an Ideen rangehen als in den regulären Kundenprojekten,“ sagt Bürk.

Am Anfang zweier großer Flüsse entstehen also spannende Unternehmen. Vermutlich klappt es mit der Vernetzung bald noch besser. Die einzelnen (Aus-)Gründer wären darüber sehr froh.

Gründerberater Moritz Meidert

Gründer –
Meidert ist „Kapitän“ des bundesweit tätigen Gründerservice-Unternehmens Gründerschiff mit Sitz in Konstanz. Nach dem Studium in Konstanz und Friedrichshafen hat er nach einer gescheiterten Unternehmensgründung, mehreren weiteren Gründungen sowie einiger Erfahrung als Gründungsberater 2014 das Gründerschiff gestartet.

Beratung –
Das Gründerschiff begleitet mit regionalen Gründerschiff-Lotsen neben Unternehmensgründern auch kleine und mittlere Unternehmen bei Innovationsprojekten sowie Vorhaben, die den Gründergeist der eigenen Mitarbeiter fördern sollen. Außerdem bestehen Kooperationen mit Hochschulen, Kommunen und Landkreisen.

Ziele –
Ziel ist es, Hilfen für Gründer im Land besser zu verbreiten. Das Gründerschiff macht nach eigenen Angaben mehr als 8000 Angebote im Jahr für Gründer und deckt dabei auch Regionen abseits der Metropolen ab.