Ein Start-up aus Schwieberdingen entwickelt Software und Geräte für Messungen im Pikosekundenbereich. Das ist nicht nur für Forscher interessant, etwa in Harvard und Oxford: Auch die Finanzbranche könnte sich dafür interessieren.

Schwieberdingen - Wer durch die Tür in Raum 5.135 im Gebäude 57 der Universität Stuttgart-Vaihingen schreitet, betritt eine andere Welt. Man lässt eine Warnung vor Laserstrahlen hinter sich und findet sich vor unzähligen Kabeln, Apparaturen und Kästen, die Zahlen anzeigen, wieder. Zu hören ist nur das Surren von Kühlrotoren, und manchmal klickt es, wenn ein Laserstrahl eingeschaltet wird. Hier beginnt das Reich von Helmut Fedder und Michael Schlagmüller.

 

Die beiden haben als Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Vaihingen lange geforscht, ehe sie sich mit ihrem Unternehmen in Schwieberdingen selbstständig gemacht haben. Die raumschiffartigen Apparate gehören zum fünften physikalischen Institut der Universität. Sehr vereinfacht gesagt werden hier einzelne Atome in einem Vakuum eingefangen, mit Laserstrahlen nahezu auf den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt, um dann zu messen, wie viel Licht noch von den Atomen abstrahlt. Wozu man das alles macht, ist nicht so einfach zu erklären, deswegen belässt es Fedder bei folgendem Hinweis: „Das ermöglicht Grundlagenforschung in der Quantenoptik.“

Das Verarbeiten der Messdaten kostet Zeit

Eine Sache hat ihn hierbei immer besonders gestört: Die Messdaten der Experimente mussten stets mühsam mit selbst entwickelter Software erfasst und ausgewertet werden. Bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit würden Wissenschaftler damit vergeuden. Das Produkt oder die Studie wird deshalb teurer und dauert länger.

Fedder und Schlagmüller setzten sich deswegen zusammen und entwarfen ihr eigenes Messgerät mit eigener Software, das alle Messungen parallel ermöglicht und beliebig erweiterbar ist – eine Art Universal-Fernbedienung für Forscher. In einer Garage in Schwieberdingen schraubten sie ihren ersten Time Tagger, so der Name des Produkts, zusammen.

Schlagmüller wohnt in Schwieberdingen, und hier ist auch die Firma Swabian Instruments gemeldet. Der Bezug zum Schwäbischen soll für hochwertige, aber preiseffiziente Technologie stehen. Die Analogie zum milliardenschweren Technologie-Riesen Texas Instruments ist offensichtlich. Das erste Gerät verkauften die Tüftler aus dem Schwabenland dann auch in die USA. „Unsere Firma war von Anfang an international“, sagt Fedder, der in Braunschweig und im schwedischen Uppsala studiert und im niederländischen Enschede promoviert hat. Mittlerweile stehen ihre Messgeräte in Spitzenuniversitäten wie Oxford, Harvard am MIT und an Max-Planck-Instituten.

Das Gerät könnte auch für die Finanzbranche interessant sein

Nicht nur für die Forschung könnte ihr Produkt interessant sein. Autohersteller könnten damit Teststände bestücken. Und die Finanzindustrie, bei der es bei Transaktionen an der Börse längst auf Sekundenbruchteile ankommt, könnte damit die Genauigkeit ihrer Router messen. Je nachdem, welchen Fokus die Kunden wählen, können sich laut Fedder Jahresumsätze zwischen zwei und 100 Millionen Euro für seine Firma ergeben. Die Grundausstattung des Messgeräts mit Software kostet 9000 Euro, während die High-End-Variante fast 80 000 Euro kostet.

Noch will sich Fedder offen halten, in welche Richtung es weitergehen soll. Weil das Start-up eigenfinanziert ist, gibt es auch keinen Investor, der sie irgendwohin drängt. „Das ist ein großer Luxus“, sagt Fedder. Drittmittel wie Forschungsprojekte der EU oder des Bundeswirtschaftsministeriums helfen da natürlich auch. Ein Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums half dem jungen Unternehmen Ende 2016 auf die Beine. Und jüngst gewann das Unternehmen den mit 15 000 Euro dotierten zweiten Preis des Landes-Innovationspreises Baden-Württemberg.

Aktuell hat das Unternehmen fünf Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von einer Million Euro. Im kommenden Jahr sollen es aber noch mal zwei Mitarbeiter mehr werden, kündigen die Inhaber an. Und weil es den Tüftlern von Swabian Instruments dann zu eng in ihren Räumlichkeiten an der Uni Vaihingen wird, werden sie ihr Raumschiff mit all den Kabeln und Anlagen dort wohl bald verlassen und sich eine neue Bleibe suchen müssen.