Der Block I produziert schon seit sechs Jahren keinen Strom mehr. Die Anlage wird jetzt abgebaut. Doch wohin mit dem Schutt?

Neckarwestheim - Für den Minister schließt sich an diesem Tag ein Kreis. Als er Anfang der 80er Jahre im Ökoinstitut Freiburg begonnen habe zu arbeiten, erzählt Franz Untersteller (Grüne), sei damals an einer Studie zur Energiewende gearbeitet worden. Der Inhalt: Wie könnte eine Energieversorgung ohne Kernenergie aussehen? Dass er gut 30 Jahre später als grüner Landesumweltminister den Startschuss geben dürfe für den Rückbau des Block I des Gemeinschaftskernkraftwerks Neckar (GKN I), sei für ihn deshalb mehr als ein gewöhnlicher Termin, betonte Untersteller.

 

„Ich bin froh, dass dieser Streit über die Kernenergie endlich vorbei ist“ und weitgehend Konsens herrsche über das Aus für die Kernenergie, erklärte der Minister. Den Abbau der Anlage werde sein Haus genau überwachen. „An die Durchführung legen wir strengste Maßstäbe an“, so Untersteller.

Der Rückbau wird bis zu 15 Jahre dauern

Das GKN I ist das erste der bundesweit acht Kernkraftwerke, die 2011 nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima vom Netz gingen, das nun tatsächlich mit dem Rückbau beginnt. Schon seit Ende Februar sind GKN-Mitarbeiter damit beschäftigt, die Hauptkühlmittelleitungen vom Reaktordruckbehälter abzutrennen. Untersteller und der EnBW-Technikvorstand Hans-Josef Zimmer schraubten eine Frischdampfleitung ab, über die die Stromturbine früher angetrieben worden war.

Als Nächstes sollen die Kerneinbauten des Reaktordruckbehälters demontiert werden. Dabei wird unter Wasser mit Hilfe von ferngesteuerten Sägen, Bohrmaschinen und Scheren gearbeitet. Allein dieser Arbeitsschritt wird voraussichtlich knapp zwei Jahre dauern. Insgesamt kalkuliert die EnBW als Betreiberin des Atomkraftwerkes damit, dass der Rückbau des Block I zehn bis 15 Jahre dauern wird. Was danach aus dem 30 Hektar großen Kraftwerksareal wird, das ist noch offen.

Mehr als 300 000 Tonnen Schutt fallen an

Der zweite Block in Neckarwestheim darf noch bis maximal Ende 2022 Strom produzieren. Die EnBW hat auch für GKN II bereits im Sommer den Abbau beantragt. „Ein Hinauszögern des Rückbaus passt nicht zum gesellschaftlichen Willen zum Ausstieg aus der Kernenergie“, erklärte der EnBW-Technikvorstand Hans-Josef Zimmer. „Das muss in einer Generation erledigt werden.“

Allein durch die Schleifung von Block I werden 331 000 Tonnen Schutt anfallen. Wo früher der Kühlturm des GKN I stand, wird gerade ein Reststoffbearbeitungszentrum errichtet, in dem vier Prozent des Materials, das als strahlenbelastet gilt, zerlegt und dekontaminiert werden soll. Der mit 96 Prozent weitaus größte Teil des Bauschutts soll aber als so genanntes freigemessenes Material weitergenutzt werden – etwa für den Straßenbau – oder auf verschiedene Deponien in Schwieberdingen und Vaihingen-Horrheim (Kreis Ludwigsburg) verteilt werden.

Die Anwohner haben Angst vor dem strahlenden Müll

Dieser Schutt weist zwar immer noch eine radioaktive Strahlung auf, die aber laut Strahlenschutzverordnung weniger als zehn Mikrosievert pro Jahr betragen darf. Gegen die Deponierung des Bauschutts auf den Deponien in ihrer Nachbarschaft demonstrierten am Montag vor dem Werkstor in Neckarwestheim einige Vertreter der Bürgerinitiativen. Sie plädieren, das Rückbaumaterial an Ort und Stelle zu belassen, wo man es zentral kon-trollieren könne, statt den Schutt „nicht mehr rückholbar an die Allgemeinheit zu verteilen“, wie Franz Wagner von der Arbeitsgemeinschaft Atomerbe Neckarwestheim sagte. Auch die Standortgemeinden Vaihingen/Enz und Schwieberdingen haben sich gegen die Anlieferung des Materials ausgesprochen.

Erste Rückbauerfahrungen hat die EnBW bereits. Seit 2008 wird das stillgelegte Akw Obrigheim abgebaut. Dort wartet man nur noch darauf, dass das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit den geplanten Schiffstransport der abgebrannten Brennelemente nach Neckarwestheim genehmigt. Im dortigen Zwischenlager sollen die Stäbe aufbewahrt werden. Dieses Zwischenlager war vor neun Jahren in Betrieb genommen worden und ist bis 2046 genehmigt.

Die Gemeinde Neckarwestheim prüft allerdings, ob sie rechtliche Schritte gegen die Aufnahme der Brennstäbe aus Obrigheim einlegen kann. Von den fünf Atomkraftwerken der EnBW sind nur noch zwei am Netz: das GKN II und Philippsburg II. Für Philippsburg I rechnet die EnBW in den nächsten zwei Monaten mit der Rückbaugenehmigung.