IdeenwerkBW-Schwerpunkt Food (2): Nicht die Produktion, sondern kreative Kombination ist die Idee hinter dem Süßwarenlieferanten Der Zuckerbäcker aus Heilbronn. Das Startup setzt auf Nostalgie und die Wiederbelebung von Kindheitsträumen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Heilbronn - Essen hat mit Emotion zu tun, Süßigkeiten tun dies ganz besonders. Und das ist letztlich der Grund, warum die ehemaligen Studienfreunde Corinna Lenz und Anastasios Paliakoudis zu Zuckerbäckern geworden sind. Sie sind Gründer, bei denen erst einmal der Wunsch, Unternehmer zu werden im Vordergrund steht – und sich dafür die passende Idee erst einmal finden musste. „Für uns war immer klar: Selbstständigkeit oder nichts“, sagt der ehemalige Vertriebsstudent Paliakoudis.

 

Doch nach dem Studium in Heidelberg verloren sich erst einmal die Wege. Paliakoudis brachte als Berater Mittelständlern das Thema Online nahe. Und Lenz ging nach dem Studium auf große Australienreise. Alle möglichen Themen spielten sie durch, an die sie sich im Detail gar nicht mehr so genau erinnern. „Am Ende haben wir uns für die einfachste Idee entschieden: Wir wollten etwas machen, was Freude bereitet. Süßigkeiten bereiten Freude – und so kam es dann zur Idee des Zuckerbäckers,“ sagt Lenz.

Keine Erfahrung im Lebensmittelbereich

Erfahrung im Lebensmittelbereich hatte man nicht. Wie so viele Startups ging man die Idee erst einmal mit großer Begeisterung an – und einer Prise Naivität. „Das ging ohne viel weiteres Überlegen – wie das Betriebswirtschaftler eigentlich machen sollten,“ sagt Paliakoudis ironisch. Am Ende ging es um das kreative Geschäftsmodell. Der Zuckerbäcker aus Heilbronn stellt selbst nichts her.

Das Konzept ist es vielmehr von den unterschiedlichsten Herstellern Süßwaren einzukaufen und kreativ zu kombinieren – mit einem besonderen Fokus auf das Thema Nostalgie.„Wir haben uns auf die Suche nach Herstellern gemacht, von bekannten Produzenten bis zur kleinen Bonbonmaufaktur. Das war am Anfang schwierig.“, sagt Paliakoudis. Drei Jahre lang zehrte man vom eigenen Kapital – bis dann Wolf Michael Nietzer von den „Food Angels“ in Heilbronn einstieg, nachdem er er eher zufällig auf das Startup gestoßen war.

Der Zuckerbäcker aus Heilbronn spielt mit Kindheitsträumen

Die Produkte kommen häufig im Glas mit gummiversiegelten Deckel. „Wir bieten Dinge, an die man sich aus seiner Kindheit erinnert, die aber nicht immer leicht zu bekommen sind“, sagt der Zuckerbäcker-Gründer. Der Clou dabei: Jeder Besteller kann sich seine Lieblingsmischung beliebig selber zusammenstellen. Zwei, vier, sechs oder acht Stück je Süßigkeit kann man frei kombinieren. Weiße Mäuse aus Zuckerschaum, saure Zungen und Bänder, grüne und rote Gelatine-Spaghetti, Fruchtgummi in allen Formen und Farben von Fischen über Colaflaschen bis zu Bärchen und Talern.

Inzwischen stößt man hier aber auch Produktideen an – die aktuell auf dem Markt gebrachte „Essbare Grillkohle“ beispielsweise, also Marshmallow-Stückchen mit einem echt aussehenden, kohleartigen schwarzen Überzug. Kreativität gehört zum Markenprofil. Es gibt Fruchtgummi-Pizza, eine Mischung namens Gelbsucht, essbare Schneebälle oder Produktmottos wie „’Süße Fußballparty“ oder „Starkes für den Papa“. Bei letzterem ist etwa eine Spezialmischung „für Vaterfreuden“ inklusive.

„Zauber des Kiosk von früher“

Die Chargen sind klein, in der Verpackung steckt viel Handarbeit bis hin zum handgeschriebenen, personalisierten Schriftzug auf der Verpackung. „Wir wollen den Zauber des Kiosks von früher wiederbeleben,“ sagt Paliakoudis. Und wie bei so manchem Startup im Lebensmittelbereich, dass sich erst im Online-Bereich etabliert, sind andere Standbeine wie die Präsenz bei ausgewählten Einzelhändlern und vor allem der Bereich individuell zugeschnittener Werbeprodukte inzwischen wichtiger.

Als ein Unternehmer seine Produktfarbe beispielsweise von gelb auf grün wechselte, füllte man beim Zuckerbäcker die Gläser mit Süßigkeiten in den exakt passenden Farben. Und die Rekordbestellung waren bisher 50000 Süßigkeiten-Sampler für einen Autohersteller. Doch schon ab 50 Süßigkeitengläsern ist man für Sonderanfertigungen in der Manufaktur dabei.

Das Geschäft ist stark saisonal

Neben der Kreativität liegt das Geschäftsgeheimnis im rationellen Verfahren, um aus Dutzenden von den Herstellern angelieferten Süßigkeitenpaketen effizient die individuelle Mischung zusammenzustellen. In einem Glas können schon einmal Produkte von 20 bis 30 Lieferanten kombiniert sein. Fotos vom Verpackungsbereich sind deshalb tabu. „Da steckt inzwischen einiges Know-how drin“, sagt Paliakoudis. Das schnelle Kombinieren nach individuellen Bestelllisten braucht Erfahrung und Geschicklichkeit.

Der Zuckerbäcker aus Heilbronn bespielt eine Nische. Das Geschäft ist stark saisonal: Zu Ostern und zu Weihnachten ist die Spitzensaison, der Sommer ist eher mau: „Wir freuen uns da über schlechtes Wetter – dann sitzen die Leute zu Hause und bestellen mehr online,“ sagt Lenz. Auch nach sieben Jahren hätten sie im Team nicht genug von den Süßigkeiten: „Wir sind alle Schleckermäuler und können das schon noch sehen“, sagt Lenz.

Stichwort Preise und Vertrieb

Der Zuckerbäcker, gegründet 2010, vermarktet seine Produkte vor allem auch als kreative Geschenkidee. Das Preisspektrum reicht dabei von 2,95 Euro für Einhorn-Leckerlis bis zur prall gefüllten „Schmatztruhe“ für 39,90 Euro.

Nur noch der kleinere Teil des siebenstelligen Umsatzes wird online erzielt. E-Commerce ist inzwischen ein Produkt von der Stange. Hochsaison ist zu Weihnachten, wo bis zu fünfzig Mitarbeiter, meistens Teilzeitkräfte, die individuellen Gläser befüllen.