IdeenwerkBW-Serie „coole Startups im heißen Sommer“ – in Kooperation mit der Macromedia Hochschule Stuttgart (2): Wie es ist, den wohl schwierigsten Markt in Deutschland aufzumischen, berichten die Gründerinnen Sinja und Ann-Sophie. Ihr 2018 gegründetes Startup „The Female Company“ feiert auch durch sein Tampon-Buch Erfolge.

Stuttgart - Inspirierend. Produktiv. Voller Power. Ungefähr so fühlt es sich an, das Büro der „Female Company“ zu betreten. Fertig eingerichtet ist es noch nicht – doch die rosafarbene Wand am Ende des Raums scheint bereits das komplette Charisma des Startups zu repräsentieren. Ann-Sophie strahlt und wirkt trotz vieler Arbeit kein bisschen gestresst. Sie nimmt sich Zeit. Beantwortet die Fragen so locker, als würde sie mit Freundinnen sprechen. Schnell ist klar: Ann-Sophie hat Unternehmer(innen)geist. Doch das, was das Startup so erfolgreich macht ist viel mehr: Hingabe. Gegenüber Frauen.

 

Ann-Sophie und Sinja beschäftigen sich nämlich nicht nur mit der Herstellung von Tampons aus Bio-Baumwolle, sondern auch mit den Themen Nachhaltigkeit, Gesundheit und vor allem: Gleichberechtigung. Und Feminismus. Und das ganz ohne klischeehaften Kurzhaarschnitt und sexuelle Frustration. Sondern: mit Humor, Charme und Leichtigkeit. Und Provokation. Denn die beiden brechen wichtige „Tabuthemen“. Und umgehen dabei manchmal ganz geschickt das Gesetz, um die „Tamponsteuer“ zu senken. Kurzerhand haben die Gründerinnen das „Tampon-Buch“ erfunden und konnten die Mehrwertsteuer so von 19 Prozent auf 7 Prozent verringern.

Der Trick: Die Natur-Tampons werden in einem Buch verpackt und dann zum entsprechend niedrigeren Steuersatz sozusagen als dessen Inhalt verkauft. Dank einer solchen kreativen Idee wird man dann auch schon mal in den Bundestag eingeladen werden, um über eine Senkung der Mehrwertsteuer von Damenhygieneartikeln zu sprechen. Das „Tampon-Buch“ gibt es genauso wie die Bio-Tampons online, das Ganze im Abo-Modell.

Im Video erzählt uns Ann-Sophie, wie es zur Gründung der „Female Company“ kam und was Startup-Kultur für sie bedeutet.

Und hier das Interview zur Geschichte von „The Female Company.“

Ein Startup zu gründen, ist mit viel Unsicherheit verbunden – wie seid Ihr mit der Angst vor dem Scheitern umgegangen?

Ich sage immer, man sollte eigentlich nicht ans Scheitern denken, bevor man nicht mal angefangen hat. Ehrlich gesagt, haben wir das gar nicht so beachtet. Das Gute ist, wir kamen aus dem Studium. Das bedeutet, du hast nicht so viele Risiken, du hast keine Familie, die du ernähren musst, du kannst dich einfach mal ausprobieren – und genau das haben wir einfach gemacht. Es ist jetzt ein Riesenglück, dass die erste Geschäftsidee gleich so wunderbar funktioniert hat, aber ich denke, man sollte nicht ans Risiko denken, bevor man nicht einfach mal angefangen hat und gemacht hat.

Hat das Gründen Eure Freundschaft auf die Probe gestellt?

Ja klar! Das musst du dir so vorstellen: im ersten Jahr hatten wir ja kein Büro. Das hat also bedeutet, dass wir in meiner Wohnung im fünften Stock teilweise beieinander übernachtet und 24 Stunden gearbeitet haben. Am Anfang macht man natürlich sehr viel und das ist quasi eine Dauerbelastung, egal, mit wem du das machst. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem wir gesagt haben, okay – jetzt brauchen wir ein Büro, das muss ein bisschen getrennter sein. Aber letztendlich wurde dann alles gut – und wir sind immer noch befreundet (lacht). Ich glaube, man hat einfach seine Phasen, in denen es ein bisschen schwieriger ist, aber da kommt man auch durch.

Wie wichtig findet Ihr den Zusammenhalt von Frauen in der Berufswelt?

Wir plädieren groß und laut für diesen Zusammenhalt zwischen Frauen. Irgendwie haben wir da alle so ein kleines Problemchen und man ist eher neidisch auf die Mitarbeiterin, die befördert wird, als auf den Mitarbeiter. Man sieht glaube ich eher eine Konkurrenz in einer Frau, als in einem Mann und bei den ungleichen Gehältern, die wir haben, ist das absolut nicht förderlich. Eigentlich sollten wir uns eben unterstützen, zusammen weiter hochkommen und dafür sorgen, dass wir alle gleiche Gehälter und gleiche Chancen bekommen. Von daher, ganz großes Machtwort an die Frauen: Wir müssen zusammenhalten! Genauso, wie wir jetzt gegen die Tamponsteuer kämpfen, mit ganz vielen tollen Frauen, ist es eben auch wichtig, für andere Rechte einzustehen.

Gab es für Euch Zeiten, in denen Ihr nicht so offen über die Periode gesprochen habt?

Mittlerweile schreien wir es laut durch jede Bahn, weil das einfach unser Thema ist. Am Anfang war es tatsächlich bei den Investorenpitches schon ein bisschen, ja, neuartig, dass man jetzt mit älteren, weißen Männern über dieses Thema so offen reden muss. Da geht es halt letztendlich auch darum, dass du ihnen die Inhaltsstoffe, die Wirkungsweisen auf die Haut und so weiter erklärst, und da wird’s schon mal intensiv. Das fiel am Anfang weniger leicht, aber mittlerweile denk ich mir, da müssen sie durch (lacht).

Im Interview mit Stadtkind habt Ihr gesagt „Stuttgart ist beim Thema Gründen nicht da, wo es sein könnte“ – was habt Ihr damit gemeint?

Ich wusste, irgendwann wird mir dieses Zitat um die Ohren fliegen (lacht). Wir haben ja jetzt das Glück in einem tollen Co-Working-Space zu sitzen, das hat aber auch erst vor zwei Monaten aufgemacht, also ist alles ganz neu. Du merkst einfach, dass die Stuttgarter Start-up-Szene noch sehr am Anfang steht. Es gibt hier gefühlt drei, vier Startups, die weibliche Gründerinnen haben. Da muss noch mehr passieren. Letztendlich hat es uns am Anfang ein bisschen an Förderung vom Land gefehlt. Klar, Co-Working Spaces, in denen man dann sitzen kann, gibt’s jetzt ein paar, aber ich glaube, dass die Stadt oder das Land da noch ordentlich nachholen können, was Förderung von jungen Gründern und vor allem Gründerinnen angeht.

Der erste Versuch, die Plastikfolie an den Tampons durch eine kompostierbare Alternative zu ersetzen, hat ja leider nicht geklappt – könnt Ihr uns erklären, wieso und was sind Eure nächsten Schritte?

Nachhaltigkeit ist ein anstrengendes Thema, sag ich mal ganz spitz und gemein. Man macht ganz viel, man tüftelt ganz viel, arbeitet mit den wenigen Herstellern, die sich überhaupt für diesen Bereich einsetzen, zusammen und scheitert dann am Ende auch noch. Genauso war es bei uns mit der kompostierbaren Folie. Wir mussten, nachdem wir drei Chargen schon produziert hatten, die super funktioniert haben, feststellen, dass sich die Folie, die von einer Art Bienenwachs umschichtet ist, am Tampon löst. Ob das nun ungefährlich ist oder nicht: Es darf sich einfach nichts am Tampon lösen, das ist ein absolutes No-Go. Deswegen mussten wir die kompostierbare Folie erstmal auf Eis legen, was uns sehr schwer gefallen ist, weil es neun Monate Entwicklungszeit und extrem viel Kohle war, die da drin steckt. Aber wir geben das auf keinen Fall auf, wir sind auch schon an einer möglichen Alternative dran. Aber man merkt einfach: ein Startup ist eigentlich immer schnell – aber solche Entwicklungen brauchen extrem viel Zeit.

 Und wie läuft das genau mit dem Tampon-Buch? Was sind die Zukunftspläne? Diese und noch weitere Fragen beantwortet uns Ann-Sophie im Video. Außerdem erzählt sie von ihrem Herzensprojekt in Kooperation mit Female Fellows. Spoiler-Alarm: Einen Blooper gibt es auch zu sehen.