Für Wirtin Laura Halding-Hoppenheit ist es „Horror“, dass sie wegen Corona ihre „schwulen Kinder“ im Kings Club nicht sehen kann. Diesen tiefen Einschnitt werde man gemeinsam überwinden. „Die Aids-Krise hat uns hart gemacht“, sagt sie.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Keiner rollt das R so schön wie sie. Wenn Clublegende Laura Halding-Hoppenheit „Horror“ sagt, vibriert der ganze Raum. Gerade kommt für die gebürtige Rumänin und Stadträtin, die man „Mutter der Schwulen“ nennt, etwas zu viel an Horror zusammen. Eigentlich wollte sie jetzt unweit des Tagblatt-Turms ihren „Kings Club im Exil“ eröffnen, ihr Ausweichlokal, in dem es während der Sanierung des 43 Jahre alten Original-Domizils an der Calwer Straße rund gehen sollte. Horror, dass der Umzug auf unbestimmte Zeit verschoben ist! Ebenso hart ist für die kommunikationsfreudige Frau, dass sie die Community nicht sehen kann. „Meine schwulen Kinder fehlen mir sehr“, versichert sie, „ohne die und ohne Friseur ist es Horrrror!“ Aber auch ihre eigenen Enkel dürfen nicht zu ihr kommen.

 

Nach Wurmberg hat sich Laura zurückgezogen, zu ihrer neuen „Beute“, wie sie ihren Lebensgefährten Peter Jacobi, einen Künstler, nennt. Von dort beteiligt sie sich gern an der Stay-at-home-Challenge der Stuttgarter Clubs. „In der Aids-Krise haben wir viel gelernt“, betont sie, „sie hat uns hart gemacht.“ Da werde man die Corona-Krise gemeinsam auch meistern. Keinen ihrer Mitarbeiter hat sie entlassen. Mit Kurzarbeitergeld werde man es schaffen.

„Wenn der DJ keinen guten Sex hatte, war die Musik Horror“

Es heißt der Kings Club, aber das KC. Eine der ältesten Schwulendiscos in Deutschland – im Jahr 1977 eröffnet – darf in der coronabedingten Rückschau aufs Partyleben von früher nicht fehlen. Ob Designer Harald Glööckler, Superstar Freddie Mercury oder TV-Moderator Alfred Biolek – Laura hatte alle in ihrem plüschigen und in Rot strahlenden Keller. „Bio hatte immer den selben Tisch für sich und seine Jungs reserviert“, erzählt sie. Bis heute heißt dieser Platz „Biolek-Tisch“.

Freitags und samstags kamen die GIs. „Wir haben immer gesagt, wenn jemand einen Krieg anfangen will, dann am besten am Wochenende.“ Denn an diesen Tagen sei die halbe US-Armee im Kings Club und daher leicht zu besiegen. Noch heute heißt der hintere Teil des KC, wo sich die Amerikaner am liebsten aufhielten, „Affenfelsen“ – so hatten die Soldaten diesen Platz genannt. Die Kanzel war freilich für die Gäste unerreichbar. Hier thronte der DJ. „Wenn er keinen guten Sex hatte, war seine Musik Horrrror“, erinnert sich die Chefin.

Für den KC-Gründer war sie „die erste und letzte Frau“

In Rumänien hatte Laura einen tyrannischen Vater ertragen. Zum Kunststudium ging’s nach Hamburg, wo die Liaison mit einem Chefredakteur begann. In den 1970ern zog sie mit ihm in eine Villa nach Stuttgart. Dort wollte sich kein Spießerglück einstellen. Wohl fühlte sie sich nachts mit schwulen Künstlern. Nach der Trennung von ihrem Mann verlor die Rothaarige den goldenen Käfig. Fortan musste sie Geld verdienen, weshalb sie im KC jobbte. In dessen Betreiber Thomas Bergmeister verliebte sie sich, war für ihn „die erste und letzte Frau“. Bald wurde sie selbst Chefin des Kings-Kellers.

Noch immer hat die Stadträtin die Titelseite des „Spiegels“ vor Augen, bei der es 1982 zum ersten Mal um eine „tödliche Seuche“ ging. In ihrem Club wurde Aids drastisch buchstabiert: „Ab in den Sarg.“ Die exotisch-flippige Schwulenfreundin wurde zur politischen Aktivistin im Kampf gegen die Krankheit. Bis heute finanziert sie Anti-Aids-Projekte und vieles mehr aus eigener Tasche.

Niemals hätte die Stadträtin der Linke gedacht, dass eines Tages eine neue Krankheit die Menschheit so heftig in Angst und Schrecken versetzt. Bis das Comeback des Partylebens gefeiert werden kann, wird Laura Halding-Hoppenheit noch oft „Horrrrror“ sagen – aber danach natürlich auch.