Als Harald Schmidt 2017 beim Schwarzwald „Tatort“ kurz vor dem Start völlig überraschend ausstieg, ist die Ost-Berlinerin Steffi Kühnert eingesprungen. Lesen Sie im Interview, was sie am Schwarzwald und ihren Kollegen schätzt – und warum sie sich bei anderen „Tatort“-Teams gar nicht so gut auskennt.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Mit dem Regisseur Andreas Dresen hat Steffi Kühnert Kinoerfolge wie „Halbe Treppe“ gedreht und dabei gezeigt, dass sie hervorragend improvisieren kann. Im Interview erzählt sie, warum ihre Rolle im Schwarzwald- „Tatort“ im Vergleich dazu eine große Herausforderung für sie darstellt.

 

Frau Kühnert, Sie sind eine waschechte Ost-Berlinerin. Jetzt finden Sie sich hier im tiefsten Schwarzwald wieder, als Freiburger Kripochefin Cornelia Harms, die Vorgesetzte der „Tatort“-Kriminalhauptkommissare Tobler und Berg. Mögen Sie den Schwarzwald?

Ja, das ist eine tolle Gegend. Ich muss gestehen, dass ich sie vor dem Schwarzwald-„Tatort“ gar nicht kannte. Mein Vater stammte aus dem Erzgebirge, dort haben wir als Kinder immer die Ferien verbracht, bei Großeltern, Tanten, Onkels, Cousins und Neffen. Daran erinnert mich die Landschaft hier, denn sie hat auch so etwas Verwunschenes, Geheimnisvolles wie das Erzgebirge. Wenn ich hier bin, beamt mich das sofort in meine Kindheit zurück.

An diesem Sonntag läuft der dritte Schwarzwald-„Tatort“. Bekommen die Zuschauer viel von Ihnen zu sehen?

In „Damian“ stehen die Episoden-Schauspieler im Zentrum. Der Fall hat fast schon Spielfilmcharakter. Daraus resultiert, dass Frau Harms weniger im Fokus steht.

Was schätzen Sie an Ihrem Schwarzwald-„Tatort“?

Meine beiden Kollegen, Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner! Sie machen sich viele Gedanken über die Figuren und die Drehbücher, und zwar in einer Unaufgeregtheit, die mir sehr gefällt. Aber auch seitens der Redaktion und der Produktion ist man sehr auf Qualität und Tiefe bedacht, so etwas findet man nicht allzu oft. Alle bemühen sich, bei all dieser Unaufgeregtheit nicht konventionell zu bleiben.

Sie sind für Harald Schmidt eingesprungen, der 2017 kurz vor Beginn der Dreharbeiten zum ersten Schwarzwald-„Tatort“ völlig überraschend ausgestiegen ist. Wie kamen sie zu der Rolle?

Wer mich ins Spiel gebracht hat, kann ich gar nicht genau sagen. Die Anfrage kam von meiner Agentur, und natürlich sagt man in einer solchen Notsituation, wenn eine Produktion in Bedrängnis ist, nicht nein.

Kennen Sie die Gründe für Harald Schmidts Rückzug? Er hat damals mit seinem Ausstieg ja mächtigen Wirbel erzeugt.

Nein, ich kenne die Gründe nicht, aber ich respektiere sie. Die Frage, die man sich damals dann stellte, lautete: Suchen wir ein anderes bekanntes Gesicht oder entscheiden wir uns für einen Gegenentwurf? Und für Letzteres hat sich der SWR dann entschieden und sich gesagt: Lasst uns unauffällig bleiben.

Mit „unauffällig“ ist Cornelia Harms richtig beschriiben. Was ist das für eine Person?

Wir haben eine Figurenbiografie entwickelt, die sich allerdings erst scheibchenweise mitteilen soll. Frau Harms hat in Berlin gearbeitet, ist geschieden, hat große Kinder, die schon aus dem Haus sind. Sie hat einen Mann kennengelernt, dessen Lebensmittelpunkt in der Freiburger Gegend liegt, vielleicht ein Richter oder Staatsanwalt. Und sie hat sich gesagt: Berlin ist nicht alles, man kann auch woanders schön leben, ich versuch‘s nochmal und schau, ob ich dort unten Fuß fassen kann. Sie ist eine resolute Frau mit sehr viel Erfahrung. Wichtig ist, dass sie Teamgeist hat, respektvoll und professionell mit ihren Mitarbeitern umgeht, sonst geht das in so einem Präsidium schief.

In anderen „Tatort“-Teams gibt es Chefs, die diese Softskills nicht aufweisen.

Das stimmt. Ich habe mich mal lange mit einem Kriminalbeamten unterhalten, er hatte sich auch unsere ersten Folgen angesehen und fand sie gut. Er erzählte, es rege ihn auf, wenn die Ermittler halbe Psychopathen seien, das würde es in Wirklichkeit nicht geben, solche Leute würden sofort suspendiert. Aber das eine ist die Realität und das andere künstlerische Freiheit.

Das Adjektiv unauffällig passt auf viele Ihrer Figuren. Menschen, die sehr im Alltag verankert sind, unscheinbar, problembeladen. Ellen in „Halbe Treppe“, die mit dem Mann ihrer Freundin fremdgeht, oder Simone in „Halt auf freier Strecke“, deren Mann unheilbar an Krebs erkrankt. Wie kommt es, dass Sie zu solchen Figuren neigen?

Unauffällig kann auch auffällig sein, das nur nebenbei. Ich denke, das hat etwas mit authentischer Ausstrahlung zu tun. Wobei ich hier eine Wirkung von mir beschreibe, die ich selbst gar nicht beschreiben kann, das tun andere. Ein wesentlicher Punkt ist, dass man glaubhaft ist, dass man abgenommen bekommt, was man spielt. Das hängt auch davon ab, wie sehr man sich mit solchen Situationen identifizieren kann.

Der Zuschauer nimmt Ihnen Ihre Rollen ab, Sie können das also gut. Warum?

Weil ich ein sehr emotionaler Mensch bin? Keine Ahnung. Ich kann mich vielleicht gut hineinversetzen in solche Menschen. Ich bin sehr bodenständig aufgewachsen und habe mir den Bezug zur Realität erhalten.

Bei Ihren Filmen mit Andreas Dresen gab es kein festes Drehbuch, es wurde sehr viel improvisiert. Das ist beim „Tatort“ anders.

Ja, das ist für mich eine neue Erfahrung und eine ganz große Herausforderung. Diese Cornelia Harms benutzt eine Sprache, mit der ich als Schauspielerin Schwierigkeiten habe. Diese Polizeisprache, die Statements, die sie abgibt, das ist mir ganz fremd. Ich kann nichts aus der Situation heraus entstehen lassen, kann nicht improvisieren, sondern muss die Sätze so, wie sie im Drehbuch stehen, parat haben. Das ist eine große Fleißarbeit für mich.

Seit 2009 sind Sie Professorin an der Ernst-Busch-Schauspielschule. Was verlangen Sie von Ihren Studenten?

Einsatz, Energie, Leidenschaft und Fleiß, sonst erreicht man als Schauspieler nicht viel. Ich bin nicht streng, aber verlange schon, dass sie sich der Sache hingeben. Ich habe den Eindruck, die Studierenden sind mitunter nicht mehr so belastbar. Da haben wir uns anders durchgebissen früher. Die heutige Jugend wächst schon sehr behütet auf, ich sehe es ja an meinem eigenen Sohn.

Was war Ihr größter Leidensmoment als Schauspielerin?

Für „Halt auf freier Strecke“ haben wir uns viel mit dem Tod, dem Sterben auseinandergesetzt, und es war zum Teil sehr heftig, was wir in der Vorbereitung in Hospizen und Krankenhäusern erlebt haben. Doch der Film hat mir viel über den Tod und das Leben beigebracht, er war ein Stück Lebenshilfe. Als mein Vater im Sterben lag, konnte ich gut damit umgehen, konnte ihn anfassen, pflegen.

In „Die Frau, die sich traut“ spielen Sie eine ehemalige DDR-Schwimmerin, die an Krebs erkrankt und den Ärmelkanal durchschwimmen will. Das war, was das Körperliche angeht, sicher ebenfalls eine Herausforderung.

Wir haben an der Ostsee gedreht, die in jenem Sommer nur 13 Grad kalt war. Ich musste immer wieder ins Wasser, das kostete mich enorme Überwindung. Wir waren relativ weit draußen, es war eiskalt, es gab hohe Wellen – ich hatte richtig Angst. Aber natürlich habe ich das gemacht, sonst hätte es ja den Film nicht gegeben.

Gucken Sie eigentlich „Tatort“, kennen Sie die anderen Teams?

Ehrlich gesagt, bin ich vor allem mit den älteren Jahrgängen vertraut. Man kommt ja nicht mehr hinterher, wo welche neuen Teams gebildet werden. Kriminaltechnisch sind wir in Deutschland sehr gut ausgestattet. Der Krimi scheint das Lieblingskind des deutschen Fernsehens zu sein. Ich freue mich, wenn ich einschalte und dann Kolleginnen und Kollegen sehe, die ich schätze. Aber grundsätzlich bin ich nicht der Fernsehgucker vor dem Herrn.