Ohne ihn wäre die Steinhöwel-Schule eine andere. Jetzt freut sich Jochen Holzwarth auf Freizeit.

Weil der Stadt - Fünf kryptische Buchstaben sind es auf dem Briefpapier gewesen, damals vor zwölf Jahren, als Jochen Holzwarth nach Weil der Stadt gekommen ist. Aus der „GHWRS“ (Grund und Haupt- mit Werkrealschule) ist heute die Heinrich-Steinhöwel-Gemeinschaftsschule geworden. Der neue Name allerdings ist nur die kleinste der vielen Veränderungen, die Holzwarth hinterlässt, wenn er sich jetzt in den Ruhestand verabschiedet.

 

„Die Stelle des Schulleiters ist mein Traumjob“, sagt er. An keiner anderen Stelle im Schulsystem habe man so viele Möglichkeiten zum Gestalten, hat er festgestellt: „Wenn jemand Visionen hat, dann kann er sie an dieser Position verwirklichen.“ Die Grundlage für seine Vision hat schon sein damaliger Grundschullehrer gelegt. An den Herrn Hauf an der Rappach-Schule in Stuttgart-Giebel erinnert sich Holzwarth immer noch gerne. „Er war ein Lehrer, der es immer gut gemeint hat mit den Schülern – das hat mich geprägt.“

Herr Hauf ist das große Vorbild

Mehr als 40 Buben hat der Herr Hauf damals gemeinsam unterrichtet. Und die Musik spielte eine große Rolle – beides nimmt der kleine Jochen damals mit auf ins eigene Gepäck. Später, nach dem Abitur, will er sogar Musik studieren, aber für die Musikhochschule hat es nicht ganz gereicht. Während seines Wehrdienstes gibt er Mathe-Nachhilfe. „Da hab ich mir den Herrn Hauf vorgestellt, wie er mit uns umging“, erinnert sich Holzwarth an diese Zeit. „Ich habe gemerkt, dass mein Herz nicht nur für die fachliche Vermittlung, sondern auch für Erziehung und Bildung schlägt.“

Lehrer will er daher werden, und während seines Studiums an der PH Ludwigsburg sattelt er noch um vom Hauptschul- auf das Grundschullehramt, natürlich mit den Fächern Musik und Mathe. Später geht es zu Grundschulen in Schwieberdingen und Magstadt, privat wohnt er mit seiner Familie damals in Malmsheim.

„Ich schätze die kurzen Wege“, erklärt er. „Daher hat man mir geraten: Bewerben Sie sich in Malmsheim doch auf die Konrektoren-Stelle.“ Was in einer Leitungsfunktion auf ihn zukommt, das weiß er damals noch nicht. Dass er aber seine Berufung gefunden hat, das steht fest. Sechs Jahre ist er der Stellvertreter in Malmsheim, danach acht Jahre Konrektor in Merklingen unter Georg Neininger. In dieser Zeit wird er selbst zum Merklinger, engagiert sich auch im dortigen Musikverein, wo er das Konzept der Jugendarbeit entwickelt, nach dem dort heute noch gearbeitet wird.

Selbst zum Chef wird er dann 1999, als er die Leitung der kleinen Grundschule in Flacht übernimmt. „Ich wusste, dass Weissach Geld hat“, erinnert er sich. „Daher wusste ich, dass ich hier meine Vision von Schule umsetzen kann.“ Das komplette Gebäude baut er in Flacht an und um. 2005 kommt dann die Anfrage des Schulamts: Er wohne doch in Merklingen, wolle er da nicht an die GHWRS Weil der Stadt wechseln? Denn auch hier war ein Schul-Architekt mit Visionen gefragt, sowohl am Gebäude, als auch an der inneren Struktur der Schule. „Ich wusste zwei Dinge: Wir brauchen eine Ganztagsschule und sind hier in einem sozialen Brennpunkt.“ Die Ganztagsschule gab es damals noch nicht, vom Brennpunkt redete noch niemand.

Zunächst musste also eine Mensa her – wieder war Jochen Holzwarth am Bauen. Dass die Weiler Grundschule im November 2008 zur Ganztagsschule wurde, das war also sein erster Streich. Bis zum zweiten, größeren Projekt sollte es da noch einige Jahre dauern. Denn dass Weil der Stadt heute eine Gemeinschaftsschule hat, das ist ebenfalls Holzwarth zu verdanken.

Ein Fan der Gemeinschaftsschule

„Die Aufteilung nach der vierten Klasse war mir schon immer ein Gräuel“, erinnert er sich. „Die Kinder hier bei uns in der Hauptschule hatten sich immer als Loser empfunden.“ 2012 kam das Angebot der Landesregierung zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen. „Da war ich angefixt, denn das war das, was schon immer meinen Visionen entsprach“, erinnert er sich. Zusammen mit seiner heutigen Stellvertreterin Sascha Annette Sauter baut er die neue Schulform auf, überzeugt Kollegen und den Gemeinderat, schreibt Konzept und Abläufe. „Der größte Widerstand kam von umliegenden weiterführenden Schulen“, erinnert er sich. „Da kam die Frage, warum wir jetzt noch eine Schulart brauchen.“ 30 Schüler melden sich schließlich 2015 an, allen Beteiligten fällt ein Stein vom Herzen – der neue Schultyp kommt an. Und heute ist Jochen Holzwarth immer noch zufrieden. „Wir sind erfolgreich“, sagt er. Eltern und Schüler seien glücklich an der Gemeinschaftsschule, auch keiner der Kollegen hat einen Versetzungsantrag gestellt.

„Ich kann mit zwei lachenden Augen gehen“, findet der 63-Jährige. Konkrete Pläne hat er noch nicht. „Ich freue mich auf die Zeit, wenn ich selbstbestimmt leben und die Zeit genießen kann“, sagt der Vater von fünf Kindern und Opa von zwei Enkeln.