Bundesaußenminister Steinmeier bemüht sich in Kiew und Moskau um eine Entschärfung des Ukraine-Konflikts. Greifbare Ergebnisse bringt er jedoch nicht mit zurück von seiner Vermittlungsreise, die ihn überraschend auch zu Kremlchef Putin führt.

Moskau - Trotz anhaltend schwerer Differenzen im Ukraine-Konflikt bemühen sich Deutschland und Russland um eine vorsichtige Wiederannäherung. Nach einem 75-minütigen Treffen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit Kremlchef Wladimir Putin hieß es am Dienstagabend aus deutschen Delegationskreisen, die Unterredung sei „ernsthaft und offen“ gewesen. Der Meinungsaustausch habe sich um „Wege aus der Ukraine-Krise, die neue Perspektiven der Kooperation eröffnen könnten“, gedreht. Konkrete Fortschritte wurden nicht bekannt. Zuvor hatten Steinmeier und sein russischer Kollege Sergej Lawrow aus der unterschiedlichen Bewertung der Krise im Osten der Ukraine keinen Hehl gemacht.

 

Putin hatte Steinmeier überraschend in den Kreml geladen. Zuletzt sahen sich die beiden im Februar, kurz vor der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland. Steinmeier verlängerte seinen Besuch für die Unterredung und trat mit Verzögerung am Abend die Heimreise nach Berlin an. Putin hatte erst am Wochenende mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des G20-Gipfels in Australien vier Stunden zusammengesessen. Steinmeier sprach nach dem Gespräch mit Lawrow von einer „wirklich ernsthaften Krise für die europäische Friedensordnung“. Zuvor schon hatte er nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vor einer „militärischen Großkonfrontation“ gewarnt.

Steinmeier forderte alle Konfliktparteien auf, die im September geschlossenen Waffenstillstandsvereinbarungen von Minsk endlich einzuhalten. Zugleich mahnte er: „Es ist aber auch Zeit, jenseits von Ukraine zu denken. Wir haben mit ein paar anderen Bedrohungen weltweit fertig zu werden.“

Russland ist nach Lawrows Worten bereit, den sogenannten Minsk-Prozess „ohne Vorbedingungen“ fortzusetzen. Zugleich beschuldigte er jedoch die Führung in Kiew, die Vereinbarungen zu torpedieren. Zum deutsch-russischen Verhältnis meinte der Minister: „Trotz aller Unterschiede, wie wir die Lage in der Ukraine beurteilen, ist wichtig, dass der Dialog zwischen uns nicht aufhört.“ Auf die Rede von Merkel, die Russland am Wochenende hart kritisiert hatte, ging er nicht näher ein.

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk rief Russland zu direkten Verhandlungen auf neutralem Gebiet auf. „Alles hängt vom russischen Präsidenten und seinem Umfeld ab“, sagte Jazenjuk der Agentur Interfax zufolge. Moskau wies das zurück: Die ukrainische Führung müsse nicht mit Russland sprechen, sondern mit den Aufständischen in der Ostukraine.

Steinmeier forderte mit Nachdruck von Kiew, Moskau und den prorussischen Separatisten, die Vereinbarungen für eine Waffenruhe einzuhalten. Als Beispiel nannte er den gegenseitigen Austausch von Gefangenen, die Überwachung von Grenzen und eine Demilitarisierung. Ziel ist unter anderem, die Gespräche einer Kontaktgruppe unter dem Dach der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wiederzubeleben.

Poroschenko übergab Steinmeier ein Papier, in dem Kiew angebliche Verletzungen der Waffenruhe durch Russland auflistet. „Russland hat kein einziges Kriterium der Vereinbarungen erfüllt“, sagte der Präsident.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte in Brüssel, die Führung in Moskau rüste ihr Militär an der Grenze zur Ukraine massiv auf. „Wir sprechen von Truppen, wir sprechen über Ausrüstung, und wir sprechen über Artillerie“, sagte er. Er forderte einen Rückzug der russischen Truppen. Moskau weist die Vorwürfe zurück.

Vor allem die Sanktionen der EU und der USA wegen der Ukraine-Krise treffen Russlands Wirtschaft hart. Lawrow sagte, er rechne trotz der Strafmaßnahmen mit einer Verbesserung der Beziehungen zur Europäischen Union. Die EU sei Moskaus größter und wichtigster Handelspartner. „Wir hoffen, dass der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, noch nicht erreicht ist“, sagte Lawrow. Ein Einlenken Russlands wegen der Strafmaßnahmen bleibt aber unwahrscheinlich. „Russland wird den Westen nicht anflehen, die Sanktionen aufzuheben“, sagte Lawrow.

Die Linken riefen Kanzlerin Merkel auf, dringende „Deeskalationssignale“ an Putin zu senden. „Merkel sollte als Gastgeberin des nächsten G8-Gipfels ein Zeichen setzen und Putin wieder als gleichberechtigten Partner einladen“, sagte Linken-Parteichefin Katja Kipping der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Dagegen mahnte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU): „Wir müssen Putin gegenüber Kurs halten.“ Dieser Kurs bestehe aus einem Dauerangebot für eine diplomatisch-politische Lösung, einer politischen und wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine sowie einem System wirtschaftlicher Sanktionen, sagte er der Zeitung.