Die Zahlen sind so gewaltig, dass sie selbst inmitten von Ukrainekrieg und Griechenlandstreit Aufsehen erregt haben: Knapp 160 Milliarden Euro sollen über Konten der Schweizer Filiale der britischen HSBC-Bank gewaschen worden sein.

Brüssel - Die Zahlen sind so gewaltig, dass sie selbst inmitten von Ukrainekrieg und Griechenlandstreit am Montag Aufsehen erregt haben: Knapp 160 Milliarden Euro sind nach Recherchen des Journalistennetzwerks ICIJ 2006 und 2007 über Konten der Schweizer Filiale der britischen HSBC-Bank geflossen – mit dem Ziel, Steuern zu hinterziehen, Geld zu waschen oder den Terror zu finanzieren. Das macht die Schätzung der EU-Kommission glaubhaft, wonach dem Fiskus europaweit eine Billion Euro im Jahr entgehen. Geschätzt 150 Milliarden davon sollen auf das Konto der Konzerne gehen, die Steuerschlupflöcher ausnutzen und geheime Absprachen mit den Behörden treffen. Der Kampf gegen die Steuervermeidung ist Thema beim Treffen der G-20-Finanzminister in Istanbul, das am Montag begann.

 

Auch wenn die EU erst vor zwei Wochen ein Schlupfloch in der sogenannten Mutter-Tochter-Richtlinie gestopft hat, stehen die Industrieländer damit noch am Anfang. Dass Erträge aus Patenten, Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen innerhalb von Konzernen nicht länger hin zu Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern verlagert werden können, ist Teil eines Aktionsplans der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der aber erst in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Bis 2017 soll es dann dauern, bis die Informationen über die Abmachungen zwischen Steuerbehörden und Konzernen ausgetauscht werden. In der EU hat Kommissionschef Jean-Claude Juncker – nach den Lux-Leaks-Enthüllungen vom November selbst unter Druck – einen entsprechenden Gesetzentwurf bis Mai angekündigt.

„Die entsprechenden Maßnahmen sind bereits ergriffen worden“, teilte seine Behörde dagegen am Montag als Reaktion auf die neuen Enthüllungen zum Geschäftsgebaren von HSBC mit. Tatsächlich ist die Politik im Bemühen, die private Steuerflucht einzudämmen, schon weiter. Ebenfalls als Folge einer journalistischen Enthüllung im April 2013, „Offshore-Leaks“ genannt, ist nach Jahren der Blockade die sogenannte Zinssteuerrichtlinie reformiert worden. Dies sei „die entscheidende Waffe gegen Steuerflucht“, so eine EU-Kommissionssprecherin. Nun werden nicht mehr nur automatisch Zinserträge im Ausland dem heimatlichen Finanzamt des Kontoinhabers gemeldet, sondern alle Arten von Kapitaleinkünften. Auch Österreich und Luxemburg haben zugesagt, die EU-Richtlinie vom 1. Januar 2017 an, wie gefordert, umzusetzen. Die beiden Länder hatten zuvor lange darauf verwiesen, sie könnten ihr Bankgeheimnis erst aufgeben, wenn auch das Nicht-EU-Mitglied Schweiz einem Informationsaustausch zustimme.

Mittlerweile hat auch die Eidgenossenschaft den neuen globalen Standard akzeptiert – in Kraft treten wird er jedoch nicht vor 2018. Bis dahin soll auch ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und der Schweiz über den Datentransfer abgeschlossen sein. Es würde ein altes, weniger weitreichendes Abkommen aus dem Jahr 2004 ersetzen. Parallel handelt die Gemeinschaft auch mit Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra entsprechende Vereinbarungen aus. Dass der Informationsaustausch zwar politisch beschlossen, faktisch aber noch nicht in Kraft getreten ist, illustriert eine weitere Meldung vom Montag gut: So drohen Belgiens Justizbehörden, die bereits gegen die Schweizer HSBC-Tochter wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche ermitteln, mit einem internationalen Haftbefehl gegen führende Manager der Gesellschaft, weil die Bank die von den Behörden verlangten Informationen nicht freiwillig herausgibt. Der Anfangsverdacht gründet allein auf Informationen, die der Franzose Hervè Falciani einst seiner Bank geklaut hatte, um damit Geld zu verdienen. Die französischen Behörden, denen er die Steuersünderliste angeboten hatte, leitete mit diesem Wissen mehrere Strafverfahren ein – und gab die Informationen unter anderem auch an Belgien und Deutschland weiter. Hierzulande werden die Daten seit 2010 ausgewertet.