Strafen aus EU drohen VW-Konzern erreicht CO2-Ziele wohl noch nicht

Die Autobranche hatte lange Zeit, um sich auf verschärfte Abgasregeln der EU einzustellen. VW begann relativ spät mit der Produktion von E-Autos in großer Stückzahl. Noch ist das Erreichen der CO2-Ziele schwierig - bringt die nahe Zukunft den Durchbruch?
Wolfsburg - Der Volkswagen-Konzern wird die europäischen CO2-Ziele mit seiner Autoflotte voraussichtlich in diesem und möglicherweise auch im nächsten Jahr noch nicht ganz erreichen. Strafen der EU könnten die Folge sein.
"Wir arbeiten jetzt unter Hochdruck daran, so nah wie möglich an die Ziele heranzukommen", sagte Vorstandschef Herbert Diess der "Wirtschaftswoche". 2021 werde es wegen der erhofften weiteren Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen schon "einfacher" werden - "und ab 2022 sollten wir keine Probleme mehr haben, die Flottenziele zu erreichen".
Das Unternehmen wies am Freitag darauf hin, dass die Lage 2021 noch nicht genau absehbar sei. Es müsse nicht zwingend so sein, dass die CO2-Ziele verfehlt würden, ergänzte ein Sprecher. Autoherstellern drohen Milliardenzahlungen, falls sie die vorgegebenen Grenzwerte über längere Zeit nicht einhalten können. Sollte die EU mit ihrem "Green Deal" die allgemeinen Klimaziele nochmals anheben, erwägt Volkswagen auch eine Anpassung seiner Strategie.
Diess hatte bereits angedeutet, dass die Abgasvorgaben aus Brüssel vorerst wohl knapp gerissen werden. Man sei "ein Gramm oder so" entfernt, sagte er Anfang November. "Wir haben noch nicht aufgegeben, aber es wird sehr eng, die Flottenziele zu erreichen." Zwar hat VW im jetzt auslaufenden Jahr auch neu entwickelte E-Autos wie den ID.3 gestartet, weitere Modelle sind in Vorbereitung. Solange aber die Stückzahlen noch nicht hinreichend hoch sind, ist es schwierig, die CO2-Werte größerer Wagen mit Verbrennerantrieb auszugleichen. Die Kernmarke VW soll wegen der neuen Modelle inzwischen auf Kurs sein.
Schon für 2020 müssen Autohersteller in der EU einen Grenzwert von 95 Gramm ausgestoßenem Kohlendioxid je Kilometer im Schnitt ihrer neu verkauften Fahrzeuge einhalten. In einer Einführungsphase dürfen die emissionsreichsten fünf Prozent herausgerechnet werden, diese Übergangsregel entfällt 2021. Für E-Autos gibt es bisher außerdem sogenannte Supercredits, die gegenüber Verbrennern stärker gewichtet werden. Manche Klimaschützer kritisieren, dass sich die Gesamtbilanz der eigenen Flotte damit zumindest in Teilen schönrechnen lässt.
In der EU-Kommission gibt es Überlegungen, die Regeln in den kommenden Jahren weiter zu verschärfen - nicht nur für das Treibhausgas CO2, sondern auch für gesundheitsschädliche Stickoxide, um die es im Dieselskandal ging. Diess sagte der "Wirtschaftswoche", man habe bei VW "relativ spät damit begonnen", die eigene Flotte umzustellen. Bis 2025 steckt der Konzern nun insgesamt 35 Milliarden Euro allein in die E-Mobilität. Diese hat bei VW neben Hybridautos Priorität - die Brennstoffzellen-Technik gilt als ungeeignet für Pkw.
Der VW-Konzernchef hatte erklärt, dass er die Klimapolitik insgesamt für richtig hält. Es könnten aber erhebliche Umbaukosten entstehen. "Wenn Brüssel von uns eine noch schnellere Gangart fordert, dann muss man sagen: Vor 2025 werden wir nicht wesentlich schneller sein können, weil es nicht genügend Batterien gibt", meinte er nun. "Zwischen 2025 und 2030 dagegen könnten wir noch zulegen."
Setzt sich die Kommission mit ihrem Vorschlag durch - einem bis 2030 um mindestens 55 Prozent verringerten Treibhausgas-Ausstoß zum Niveau von 1990 -, dürften Autohersteller ihre eigenen Ziele ebenfalls noch einmal nachschärfen müssen. Bei Volkswagen ist dazu eine "Strategie 2030" in Vorbereitung. Derzeit sind die Fahrzeuge des Konzerns für rund ein Prozent aller weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, bis zum Jahr 2050 will die VW-Gruppe die Klimaneutralität erreichen.
Das von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorangetriebene Programm hätte Folgen für die bereits ehrgeizigen Ziele. So müsste bei seinem Beschluss der Anteil der verkauften batterieelektrischen Fahrzeuge bei VW bis 2030 wohl noch einmal deutlich steigen, wie aus Konzernplanungen hervorgeht. Allein für den Heimatmarkt Europa könnte dies bedeuten, dass jährlich rund 300.000 Elektroautos der Kernmarke mehr gebaut werden müssten. Woher die dafür nötigen Fertigungs- und Batteriekapazitäten kommen sollen, wird nun diskutiert.
Bei aller grundsätzlichen Unterstützung der EU-Klimastrategie brächte ein "Green Deal" also neue Herausforderungen. Denn parallel zu den enormen E-Investitionen und den Folgen der Corona-Absatzkrise will VW an einem Renditeziel von 6 Prozent sowie an einer deutlichen Senkung der Kosten und jährlich verbesserten Produktivität festhalten.
Zu seiner Zukunft bei VW nach neuen Meinungsverschiedenheiten mit Mitgliedern des Aufsichtsrats meinte Diess, sein Vertrag laufe noch bis 2023. "Und ich habe vor, diesen Vertrag zu erfüllen." Er soll sich von der Arbeitnehmerseite bei wichtigen Personalvorschlägen und beim beschleunigten Konzernumbau zuletzt ausgebremst gefühlt haben. Der "Wirtschaftswoche" sagte Diess, er spiele nicht gegen VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, sondern mit ihm in der gleichen Mannschaft: "Natürlich spielen wir auf unterschiedlichen Positionen. Aber wir versuchen, uns überwiegend Bälle zuzuspielen." Die Belegschaftsvertretung nahm am Freitag keine Stellung dazu.
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