Grüne und SPD geißeln die Pläne für den Ausbau der Heilbronner Straße. Das scheint übertrieben, sagt ein Genosse – die Gegner von heute stimmten einst widerspruchslos zu.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Der Kommentar war unfein. „Eine Scheißplanung“ hatte Manuel Krauß das genannt, was sich der Bezirksbeirat Mitte vor der Sommerpause zum längst beschlossenen Ausbau der Heilbronner Straße zwischen Hauptbahnhof und Wolframstraße erklären ließ.

 

Krauß ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins in der Stadtmitte und sitzt für die Genossen im Bezirksbeirat. Weil sein Kommentar so in der Zeitung stand, „wollte ich etwas klarstellen“, sagt er. Das S-Wort war sei nicht allein in Bezug auf den Straßenumbau gemeint, sondern gelte den gesamten Bauplänen auf dem Gelände hinter dem Bahnhof, das wegen Stuttgart 21 frei wird. Die Pläne für die Straße selbst „sind im Endeffekt gar nicht so schlimm“, meint Krauß, schließlich gehörten zu ihnen auch Geh- und Radwege von durchaus nennenswerter Breite. Außerdem „ist das alles ja schon längst beschlossen und nicht mehr zu ändern“. Schon vor fast zehn Jahren hat die Stadt der Bahn unter anderem den Straßenausbau vertraglich versprochen. Die entsprechenden Vereinbarungen hat der Gemeinderat 2003 gebilligt. Das „war weit vor meiner Zeit“, sagt Krauß.

Er ist kaum 30 Jahre alt und davon bisher erst vier kommunalpolitisch aktiv – die aber offenbar rege. Denn weil der junge Sozialdemokrat wissen wollte, wie es damals zu den von ihm gescholtenen Plänen kam, hat er inzwischen sämtliche Gemeinderatsunterlagen zum Thema bis zurück ins Jahr 1998 nachgelesen – mit Interesse und durchaus interessanten Erkenntnissen. Über den Ausbau der Heilbronner Straße haben jüngst die Bezirksbeiräte im Norden geschimpft, dann die in der Stadtmitte.

Grüne geißeln „Planungen aus der Blechzeit“

Die Grünen im Gemeinderat haben daraufhin einen Antrag formuliert, mit dem sie die „Planungen aus der Blechzeit für heute“ geißeln und vor den Baubeginn verschiedene Untersuchungen zum aktuellen und künftigen Verkehrsaufkommen stellen wollen. Die SPD beantragte während der hitzigen Debatte zum Thema im Gemeinderatsausschuss erfolgreich die Vertagung – und legte ein ähnliches Papier nach. Auch die Genossen fordern Verkehrsprognosen und – gewissermaßen vorbeugend – eine stationäre Geschwindigkeitsmessanlage.

Diese Aufregung „entstand wohl aus dem kurzen Erinnerungsvermögen der Politik“, meint Krauß. Denn sein Studium der Sitzungsprotokolle offenbart, dass zu der Zeit, als Widerspruch noch möglich gewesen wäre, von Grünen und SPD niemand widersprechen wollte. Die gesamten Baupläne für das A 1-Gelände hinter dem Bahnhof einschließlich seiner Erschließung hat der Gemeinderat am 25. September 2003 beschlossen. Im Sitzungsprotokoll sind kritische Stimmen ausschließlich von PDS und Rep vermerkt.

Von den Sozialdemokraten meldete sich niemand zu Wort. Die Grünen hatten einen Änderungsantrag formuliert, aber der bezog sich ausschließlich auf ihren Vorschlag, die neue Stadtbibliothek andernorts zu bauen. Das Abstimmungsergebnis dazu ist längst hinter dem Bahnhof zu besichtigen. In der Generaldebatte über Hoch- oder Tiefbahnhof, meint Krauß, „sind die Pläne für die Straßenumbauten damals wohl einfach untergegangen“.

Das ahnt auch der derzeitige Fraktionschef der Grünen, Peter Pätzold. Die Straßenführung „war damals ein Nebenkriegsschauplatz und ist wahrscheinlich einfach vergessen worden“, sagt er. „Natürlich ist das schlecht für uns.“ Gemäß dem Leitsatz, dass es nicht verboten ist, klüger zu werden, wollen die Grünen unverändert an ihrem Antrag festhalten. „Seit damals ist viel Zeit vergangen“, sagt Pätzold, „und die Pläne sind nicht mal abgestimmt mit anderen aktuellen Verkehrsplanungen.“