Beim Machtkampf zwischen dem französischen Staatschef Emmanuel Macron und den Eisenbahnern geht es ums Ganze, kommentiert unser Frankreich-Korrespondent Axel Veiel.

Paris - Das Kräftemessen zwischen Frankreichs Staatschef und den seit Montagabend streikenden Eisenbahnern ist nicht einfach nur ein Arbeitskampf. Es geht nicht nur um die Zukunft der hoch verschuldeten französischen Staatsbahn SNCF und die Privilegien von 140 000 Beschäftigten. Wenn der Reformer Emmanuel Macron einknicken sollte, ist es um seine Glaubwürdigkeit geschehen.

 

Als sozialliberaler Erneuerer ist er angetreten, der das als reformunfähig geltende Haus Frankreich renoviert, der durchzieht, woran seine Vorgänger gescheitert sind. Sollte Macron im Kräftemessen mit den mächtigsten Arbeitskämpfern unterliegen – und das sind nun einmal die Eisenbahner –, käme dies einem Offenbarungseid gleich.

Aber auch für die Gewerkschaften geht es ums Ganze. Im Kampf gegen Macrons Arbeitsmarktreform haben sie im Herbst ein klägliches Bild abgegeben. Mit einem Organisationsgrad von nicht einmal zehn Prozent drohen sie in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Wenn sie sich überhaupt noch einmal eindrucksvoll zurückmelden können, dann jetzt. An den Franzosen ist es nun, über den Ausgang des Kräftemessens zu entscheiden. Sie haben Macron einen klaren Reformauftrag erteilt. Sollten sie ein Jahr später Angst vor der eigenen Courage bekommen, würde dies Frankreich um weit mehr als nur ein Jahr zurückwerfen.