Die Ludwigsburger Verwaltung hat die Schweizer Gastronomie mitsamt Hugos Berghütte vom nächsten Weihnachtsmarkt verbannt – aus guten Gründen, sagt das Rathaus. Der Betreiber klagt dagegen und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Stadt.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Weithin sichtbar war die Kuh. Sie stand in den vergangenen Jahren während des Ludwigsburger Weihnachtsmarkts auf dem Dach von Hugos Berghütte, leuchtete knallrot und warb für Chässuppe, Raclette und Glögg, den schweizer Glühwein. Die Kuh und die Schweiz, das passte. Die Kuh und der Weihnachtsmarkt – passt eher nicht. Dachte sich jedenfalls der städtische Eigenbetrieb Tourismus & Events, der die Großveranstaltung vermarktet. Der Weihnachtsmarkt – das ist Tannenduft, Gemütlichkeit, das sind Engel, gebrannte Mandeln. Der Weihnachtsmarkt ist aber auch ein knallhartes Geschäft und für die Standbetreiber ein ziemlich lukratives. Mehr als 800 Bewerbungen gingen in diesem Jahr ein, nur 180 Standflächen stehen zur Verfügung.

 

Heiko Laur wohnt in Ludwigsburg. 2014 hat er, im Hauptberuf Unternehmensberater, mit Partnern die Schweizer Gastronomie gegründet: ein Unternehmen, das nur für den Ludwigsburger Weihnachtsmarkt existiert. „Ich will die Ludwigsburger glücklich machen“, sagt Laur. Er ließ ein Holzhaus bauen und schaffte vor vier Jahren mit Hugos Berghütte auf Anhieb den Sprung auf den Markt. „Wir waren immer sehr beliebt bei den Gästen“, sagt Laur. Ende November beginnt der Weihnachtsmarkt 2018, und er habe bereits zahlreiche Anfragen nach Reservierungen erhalten.

„Die Schweizer Kuh ist nicht barock“

Er wird den Leuten wohl absagen müssen. Diesmal hat es Laur nicht auf den Markt geschafft, und das liegt auch an der Kuh. In der Begründung, warum die Standfläche an einen anderen Gastronomen vergeben wird, erklärt die Stadt: „Die Schweizer Kuh ist absolut nicht barock.“ Heiko Laur ist wütend, das merkt man schnell, wenn man mit ihm spricht. Und er akzeptiert das Nein nicht. „Ich will dabei sein“, sagt er. Laur hat den Gemeinderat angeschrieben und gebeten, das „inakzeptable Verhalten von Tourismus & Events zu hinterfragen“. Er hat Widerspruch eingelegt. Geholfen hat es nichts, weshalb er jetzt nach dem ultimativen Mittel greift. Er verklagt die Stadt und will vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht per Eilantrag die Zulassung zum Weihnachtsmarkt erstreiten.

Laur vermutet, dass ganz andere Gründe den Ausschlag gegen ihn gaben. Gründe, die zurückgehen auf die Weihnachtsmarkt-Affäre 2016. Damals musste die Stadt „wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten“ den langjährigen Organisator des Markts entlassen, die Hintergründe sind bis heute nicht gänzlich aufgeklärt. Ein Vorwurf war, der Abteilungsleiter habe die Mieten der Beschicker unsauber abgerechnet.

Laur behauptet jetzt, er habe die Affäre damals gemeinsam mit anderen ans Licht gebracht, was man ihm bis heute übel nehme. Auch dass er immer wieder auf Missstände hingewiesen habe, werde ihm nun zum Verhängnis – so habe er etwa kritisiert, dass Gastronomen beim Weihnachtsmarkt entgegen der Vorschrift Plastik- oder Einweggeschirr austeilten. Ein weiterer Dorn im Auge sei dem Rathaus, vermutet Laur, dass er mit Red Bull kooperiere und deren Brause in seiner Hütte verkaufe. „Vielleicht bin ich der Stadt zu innovativ?“

Mehr als 850 Bewerber für 180 Standplätze

Die Gerichtsverhandlung ist noch nicht terminiert, aber die Vertreter der Stadt betonen, dass sie gelassen in das Verfahren gehen. „Die Vorgänge von 2016 spielen für uns in diesem Zusammenhang gar keine Rolle“, betont Mario Kreh, der Geschäftsführer von Tourismus & Events. Ausschlaggebend sei etwas ganz anderes – nämlich der 2017 eingeführte Kriterienkatalog, wonach alle Bewerber benotet werden. Transparent und objektiv soll dieses neue Zulassungsverfahren sein, weil es sich an einer Punkteskala orientiert. „Und in diesem Fall hat die Punktzahl einfach nicht ausgereicht“, sagt Melanie Mitna, die den Weihnachtsmarkt seit 2016 organisiert – als Nachfolgerin des damals entlassenen Abteilungsleiters. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass alte Beschicker ausscheiden und neue hinzukommen.

Gleichwohl handelt es sich bei Hugos Berghütte um den einzigen Gastronomiebetrieb, der nicht mehr auf den Markt darf. Abzüge in der Bewertung bekam Heiko Laur nicht nur wegen der roten Kuh mit Schweizer Fahne. Die Qualität der Speisen wurde von der Stadt zwar als hoch eingestuft, aber der Verkauf von Red Bull „fließt negativ in die Bewertung ein“ – so steht es in seinem Ablehnungsbescheid. Heftig trifft Laur, dass er kein „prägendes Traditionsgeschäft“ führe. Ein Witz sei das, sagt er dazu. Vier Jahre sei er dabei. „Eins mehr, und es wäre deutlich schwerer geworden mich loszuwerden.“ Mit fünf Jahren beginnt in Ludwigsburg die Tradition.

Nur in einem Punkt räumt Laur Fehler ein. Offenbar hatte 2017 einer seiner Mitarbeiter zu viel getrunken, am Stand Musik aufgedreht, Gäste und andere Beschicker belästigt und dann noch eine Mitarbeiterin der Stadt beleidigt. Laur sagt, er habe davon nichts mitbekommen. Er hat sich dafür entschuldigt, auch schriftlich. Trotzdem führte das Fehlverhalten des Mitarbeiters dazu, dass Laur im Unterpunkt „Zuverlässigkeit“ die schlechteste Note bekam. Nicht ein einzelner, sondern die Summe der Punktabzüge führte schließlich dazu, dass seine Bewerbung abgelehnt wurde.

Der Gastronom glaubt an keine zweite Chance – und zieht deshalb vor Gericht

Dass es in Ludwigsburg Ärger wegen der Standverteilung gibt, ist nichts Neues. 2017 war etwa die Jugendfarm vergrätzt, weil sie für ihren Glühwein- und Punchstand einen eher unattraktiven Standort zugewiesen bekam. Dass die Sache vor Gericht landet, ist indes neu. Tourismus & Events hat sich in der Causa längst anwaltliche Unterstützung gesichert, will aber kein weiteres Öl ins Feuer gießen. Heiko Laur könne sich „nächstes Jahr natürlich wieder um einen Platz beim Weihnachtsmarkt bewerben“, erklärt der städtische Eigenbetrieb.

Die Kuh abmontieren und dann wird alles wieder gut? Heiko Laur glaubt nicht daran: „Wenn ich einmal raus bin, komme ich nie wieder rein“, sagt er, und deswegen bleibe nur der Gang vor Gericht. 2016 hat schon einmal ein Standbetreiber gegen eine Stadt geklagt, weil diese ihn nicht zum Weihnachtsmarkt zugelassen hatte. Der Fall endete vor dem Verwaltungsgerichtshof und mit einer Niederlage für den Kläger. Heiko Laur rechnet sich trotzdem gute Chancen aus. Das Auswahlverfahren in Ludwigsburg sei überhaupt nicht transparent, sondern willkürlich, sagt er. „Das werde ich nachweisen.“