Von wegen Überraschung: Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hat FDP-Chef Thomas Kemmerich bereits im November vorgeschlagen, eine Expertenregierung zu bilden.

Stuttgart - Der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke hat bereits kurz nach der Landtagswahl im vergangenen Herbst seinem FDP-Kollegen Thomas Kemmerich eine Zusammenarbeit angeboten. „Eine von unseren Parteien gemeinsam getragene Expertenregierung oder eine von meiner Partei unterstützte Minderheitsregierung wären denkbare Alternativen zum ‚Weiter so’ unter Rot-Rot-Grün“, heißt es in einem Schreiben Höckes vom 1. November 2019 an den Landesvorsitzenden der Thüringer FDP, Thomas Kemmerich. Bei der Wahl am 27. Oktober war die Linke unter Ministerpräsident Bodo Ramelow mit 31 Prozent stärkste Kraft geworden, hatte jedoch mit SPD und Grünen keine Mehrheit mehr. Auf Platz zwei kam damals die AfD mit 23,4 Prozent der Stimmen.

 

„Durch das Votum des Thüringer Souverän wäre nun eine Koalition der bürgerlichen Parteien möglich, wenn diese unvoreingenommen die tatsächlichen Schnittmengen – etwa in den Bereichen Bildungspolitik, Asyl- und Einwanderungspolitik, innere Sicherheit und Windkraftausbau – in den Blick nehmen und zum Wohle Thüringens in praktische Politik umsetzen würden“, schrieb Höcke in dem Brief, der dem Mitteldeutschen Rundfunk seit November vorliegt und inzwischen auch im Netz verbreitet wird. Eine Kopie werde er dem „Landesvorsitzenden der christlich-demokratischen Union, Herrn Mike Mohring, zukommen lassen“, kündigte Höcke damals an. Mohring wies eine Zusammenarbeit zurück.

Parteifreunde verteidigen Kandidatur

Nach der überraschenden Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten am Mittwoch mit den Stimmen der AfD-Abgeordneten hatten Parteifreunde aus dem Südwesten die Kandidatur des Liberalen noch verteidigt. Kemmerich habe in einer Telefonkonferenz am Nachmittag erklärt, seine Motivation sei nicht gewesen, gewählt zu werden, sagte Hans-Ulrich Rülke, Chef der FDP-Fraktion im Stuttgarter Landtag. Wenige Tage zuvor waren Kemmerichs Überlegungen bekannt geworden, im dritten Wahlgang gegen den bisherigen Amtsinhaber Ramelow und einen parteilosen Kandidaten der AfD anzutreten. Eine Empfehlung aus dem Südwesten, darauf besser zu verzichten, schlug Kemmerich jedoch in den Wind.