Ein Streit um eine Mini-Solaranlage auf dem Balkon endet vor Gericht. Letztlich bekommt der Mieter Recht. Das Urteil verweist auf das Grundgesetz und ist eine kleine Revolution.

Digital Desk: Lotta Wellnitz (loz)

Stuttgart - Die einen dekorieren ihren Balkon mit Pflanzen, die anderen richten ihn mit Gartenmöbeln gemütlich ein. Patrice Heller allerdings denkt pragmatisch und umweltfreundlich: Er hat eine kleine Solaranlage auf dem Balkon installiert – wobei, genauer gesagt ist es ein „stromerzeugendes Haushaltsgerät“, so der Ingenieur für Elektromobilität. Und noch genauer gesagt ist es ein steckbares Solar-Gerät, besser bekannt unter dem umgangssprachlichen Namen „Balkonkraftwerk“. Wegen diesem wurde Heller jetzt von seiner Vermieterin verklagt. Mit Unterstützung vom DMB-Mieterverein Stuttgart und Umgebung e. V. bekam er vor Gericht Recht, die Klage wurde abgewiesen. Entscheidend dabei war der im Grundgesetz verankerte Umweltschutz.

 

Vorteile der Mini-Solaranlage

Der Klimawandel und das Thema Umweltschutz treiben viele Menschen um. Beim Kampf gegen den Treibhauseffekt, der dafür maßgeblich verantwortlich ist, spielen erneuerbare Energien eine entscheidende Rolle. Patrice Heller installierte deshalb im vergangenen Jahr eine Mini-Solaranlage auf dem Balkon seiner Mietwohnung in Möhringen. Zwei Solarmodule lehnen an der Hauswand. Dazu gibt es einen Wechselrichter und ein Verbindungskabel, das zu einer Steckdose führt. Das war’s. Der kleine Kasten stellt sicher, dass der Gleichstrom, den das Solarmodul herstellt, in Wechselstrom umgewandelt wird. Dieser kann dann wiederum im Haushalt verwendet und in den Stromkreis eingespeist werden.

Neuer Zähler muss installiert werden

Konkret heißt das: Sofern das Balkonkraftwerk an der Steckdose ist, können andere eingestöpselte Geräte wie zum Beispiel Fernseher oder Kühlschrank damit betrieben werden. Reicht der erzeugte Strom nicht aus, wird auf den des Netzbetreibers ausgewichen. Dabei ist es allerdings wichtig, dass die Abrechnung aller Stromkreise über einen gemeinsamen Zähler läuft. In vielen Fällen muss der bestehende ausgetauscht und ein neuer installiert werden, sagt Jörg Sutter, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Die meisten Wohnungen hätte noch ältere Zähler. Diese würden rückwärtslaufen, wenn durch das Balkonkraftwerk mehr Energie erzeugt als letztlich gebraucht werde. Das könne zu rechtlichen Problemen mit dem Stromanbieter führen, sagt der Physiker weiter.

Standby-Stromverbrauch reduzieren

Heller nutzt die Stecker-Solaranlage, um seinen Grundverbrauch an Strom in der Wohnung zu decken. Dazu gehören zum Beispiel Haushaltsgeräte wie Fernseher, Mikrowelle oder Toaster. „Den Standby-Verbrauch kriege ich damit runter,“ sagt er. Genau dafür ist ein Balkonkraftwerk auch gedacht, erklärt Physiker Sutter. „Eine Solaranlage, die die Sonnenenergie im Haushalt nutzbar macht“, fasst Heller seine Installation zusammen.

Anmeldung der steckbaren Solar-Geräte

Der Ingenieur lebt seit 2018 in seiner Wohnung. Als er sich für ein Balkonkraftwerk entschied, hat er seine Vermieterin um Erlaubnis gebeten und ihr alle nötigen Zertifikate für die Installation vorgelegt. Das geht aus dem Gerichtsprotokoll des Amtsgericht Stuttgarts hervor. Da seine beiden Solarmodule insgesamt eine Leistung von 600 Watt aufweisen, ist die Anmeldung vereinfacht möglich. Laut Physiker Sutter heißt das genauer, dass ein Verbraucher die Anlage beim Netzbetreiber sowie der Bundesnetzagentur anmelden muss. Das geht online und sei sehr wichtig, so Sutter. Viele vergessen die Anmeldung bei der Bundesbehörde, erklärt er weiter. Zusätzlich sei noch ein Zertifikat wichtig, das die technische Sicherheit der Anlage bescheinige. Eine einheitliche Produktnorm für alle steckbaren Solar-Geräte gebe es allerdings noch nicht, sagt der Vizepräsident der DGS. Optimistisch betrachtet könne es so etwas aber vielleicht im nächsten Jahr geben, so Sutter weiter.

Vermieter und Balkonkraftwerke

Im Fall des Stuttgarter Mieters untersagte die Vermieterin ihm die Installation der Mini-Solaranlage. Sie mahnte ihn ab, da Heller das Balkonkraftwerk trotzdem montierte. Grundsätzlich darf ein Mieter den Balkon für seine eigenen Zwecke nutzen. Wenn er allerdings bauliche Veränderungen vornimmt, muss immer der Vermieter gefragt werden, mahnt Sutter. Wird also ein Solarmodul an der Balkonbrüstung oder der Hauswand angebracht, braucht es eine Zustimmung. „Steht die Solaranlage allerdings nur auf dem Boden, kann das keiner verbieten“, sagt der Vizepräsident der DGS. Genau das hat Heller gemacht. Als dann Post vom Anwalt im Briefkasten lag, war er „nicht vollkommen überrascht“. Vor der Klage auf Entfernung der Mini-Solaranlage habe er schon länger Probleme mit seiner Vermieterin gehabt, erzählt er. Trotzdem war er sauer: „Das ist wie, wenn man wegen einem Wasserkocher verklagt wird“, beschwert er sich und spielt darauf an, dass die Balkonkraftwerke nicht als Solaranlagen zählen, sondern als stromerzeugende Haushaltsgeräte gelistet sind.

Begründung des Gerichts ist kleine Revolution

Wie aus dem Gerichtsurteil vom Amtsgericht Stuttgart hervorgeht, hat die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch darauf, die Anlage beseitigen zu lassen. Das geht im Fall von Heller, da eine „vertragswidrige Nutzung“ der Mietsache vorliegt. Das Amtsgericht schreibt, es gebe in Bezug auf die Mietwohnung eine „bauliche Veränderung“. Diese wird im Urteil mit dem Solarstrom begründet, der „über neue Leitungen und den Lichtschalter in den vorhandenen Stromkreis eingespeist wird.“ Allerdings wiegt im Fall von Heller dessen Anspruch auf Genehmigung der Solaranlage höher als die vertragswidrige Nutzung. Die Begründung des Gerichts ist eine kleine Revolution. Denn: Das Urteil verweist auf den in Artikel 20a GG verankerten Umweltschutz. Durch das Balkonkraftwerk kann nicht nur Heller seine Energiekosten reduzieren, gleichzeitig wird auch Energie als solche gespart. Mit Hinblick auf die angestrebte Energiewende in Richtung erneuerbare Energien sei eine Solaranlage „objektiv vorteilhaft“, so das Amtsgericht.

Einsparungen von Energie und Kosten

Das bedeutet konkret, dass durch zwei PV-Module mit einer Leistung von jeweils 300 Watt, wie sie Hellers besitzt, bis zu 15 Prozent des im Haushalt benötigten Stroms eingespart werden können. Auf ein Jahr gerechnet könne der Mieter damit schätzungsweise 200 Kilogramm weniger C02-Ausstoß produzieren, so Sutter. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für Hellers Geldbeutel. Denn in Bezug auf die Stromkosten ergibt sich bei einem PV-Modul mit einer Leistung von 300 Watt eine jährliche Ersparnis von rund 70 Euro, bei zwei Modulen sind das dann schon 140 Euro, rechnet der Physiker. Kaufen kann man ein solches Balkonkraftwerk-Set mit zwei Solarmodulen ab 600 Euro.

Keine nennenswerte Beeinträchtigung durch Mini-Solaranlage

Im Gerichtsfall von Heller war allerdings wichtig, dass das Balkonkraftwerk als Modernisierungsmaßnahme nur zulässig war, da folgende Punkte erfüllt wurden: Die Installation war baurechtlich in Ordnung, fachgerecht angebracht und leicht wieder abzubauen. Außerdem geht von ihr keine (Brand-) Gefahr aus und die Sicht auf das Mietobjekt ist auch nicht beeinträchtigt. Genau diese Punkte prangert die Klägerin dem Urteil nach an. Wörtlich heißt es, „(…) die Anlage sei laienhaft und gefährlich angebracht.“ Außerdem führt sie einen fehlenden Wind- und Brandschutz sowie nicht eingehaltene baurechtliche Auflagen an. Diese Punkte konnten laut Gerichtsprotokoll von einem Sachverständiger sowie Mitarbeiter der Landeshauptstadt Stuttgart nicht bestätigt werden. Einzig beim Thema Windschutz musste Heller nachrüsten. Folglich kommt das Gericht zum Urteil, dass die Mini-Solaranlage „keine nennenswerte Beeinträchtigung für die Klägerin“ darstellt.

Mögliches zukunftsweisendes Urteil

Der Ingenieur für Elektromobilität ist nach einem Jahr Rechtsstreit froh, dass es endlich vorbei ist. Die lange Zeit der Ungewissheit habe ihn unterbewusst schon stark belastet, sagt Heller. Er wird zum 1. August aus seiner Mietwohnung ausziehen. Das Urteil bezeichnet er als „Weichenstellung“ mit „Signalwirkung“. Letztlich gebe es doch nur Gewinner, denn man nutze die Energie genau dort, wo sie auch erzeugt werde, so der Ingenieur.

Das Urteil ist rechtskräftig und damit endgültig. Die Klägerin wollte sich auf Nachfrage nicht zum Fall äußern. Sie teilte aber mit, dass sie das Urteil für falsch halte.