Im Streit um den Bundestagsfraktionschef gibt es einen Kompromiss. Brinkhaus wurde zunächst wiedergewählt. Ruhe kehrt in der Union nach der Wahlschlappe trotzdem nicht ein.

Berlin - Es geht drunter und drüber in der Union – und die zweite Garde ist schwer genervt von dem, was ihre Parteiführung am Dienstag veranstaltet. Diverse interne Machtkämpfe streben nach der historischen Wahlschlappe dem Showdown entgegen, aber viele Abgeordnete bekommen nur die Hälfte mit. „Keine Ahnung, was die Herren wieder treiben“, sagt ein wiedergewählter CDU-Parlamentarier zu den Gerüchten um Kanzlerkandidat Armin Laschet, CSU-Chef Markus Söder, Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus – und Gesundheitsminister Jens Spahn.

 

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Laschet will sich Position des Fraktionschefs offenhalten

Aber der Reihe nach: Zum einen bereitet Laschet an diesem Tag seinen Abschied als NRW-Ministerpräsident in Düsseldorf vor. Der designierte Nachfolger Hendrik Wüst ist aber nicht unumstritten – weshalb die Gespräche in die Verlängerung gehen müssen.

Länger offenhalten will Laschet dagegen das Amt des Unionsfraktionschefs. Der CDU-Vorsitzende hat sich am Vortag dafür ausgesprochen, dass Brinkhaus es nur für die Zeit der Sondierungsgespräche weiterführt – angeblich in Absprache mit Söder. Spätestens dann ist klar, ob die Union in der Opposition gegen eine Ampel landet oder doch noch mit Jamaika an die Regierung kommt. Das wäre der Zeitpunkt für Laschet, um als gescheiterter Kanzlerkandidat in die Rolle des Oppositionsführers zu schlüpfen – dann die wichtigste Position in der Union. Mit einem auf längere Zeit gewählten Brinkhaus wäre ihm dieser Schritt verwehrt. Die Regularien, auf die am Dienstag plötzlich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sowie Söder beharren, sehen vor, dass der Vorsitzende in der ersten Sitzung zunächst für ein Jahr gewählt wird. Erst recht stünde der angeschlagene Laschet ohne Option da, wenn Gegenkandidaten gewonnen hätten, die nach der Wahlschmach eine Neuaufstellung propagieren. Und die hat es, wie Brinkhaus später bestätigt, gegeben. Parteivize Spahn hat mehrere Abgeordnete angesimst, um die Lage zu sondieren. Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen steht ebenso bereit wie angeblich auch der gerade in den Bundestag gewählte Friedrich Merz. Der bisherige Fraktionsvize Carsten Linnemann wird ebenfalls genannt.

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Brinkhaus spricht von einem harmonischen Start

Die Kontrahenten werden in einen Kompromissvorschlag einbezogen, den Laschet, Söder, Brinkhaus und Dobrindt aushandeln: Die von 245 auf 196 Mitglieder geschrumpfte Fraktion wählt am Abend den 53-jährigen Brinkhaus bis 30. April zu ihrem Chef – mit 85 Prozent Zustimmung. Der spricht von einem „harmonischen Start“, was der Euphemismus des Jahres sein dürfte. „Die Revolution ist nur vertagt“, sagt dagegen ein Südwest-Abgeordneter, der Laschets Position weiter gefährdet sieht, da er die Wahlniederlage nicht akzeptieren will und immer noch darauf beharrt, sich gleichberechtigt mit SPD-Kandidat Olaf Scholz um Grüne und Liberale zu bemühen. In dieser Wunde bohrt auch Söder.

Am Nachmittag gratuliert er Scholz zum Wahlsieg, attestiert ihm die besseren Chancen. Dass manche Unionsleute Söder zum Jamaika-Verhandler machen wollen, dementiert Letzterer nicht. Auch in der Sitzung wird trotz Kompromiss vereinzelt Laschets Rückzug gefordert. Die „Woche der Entscheidung“, die Dobrindt ausgerufen hat, geht noch ein paar Tage.