Das Stadtpalais hat Großes vor, um den Streit über ein vergleichsweise kleines Denkmal zu befrieden und einen angemessen Platz für das Standbild König Wilhelms II. zu finden.

Stuttgart - Ein ganzes Jahr für den letzten König? Das Stadtpalais hat Großes vor, um den Streit über ein vergleichsweise kleines Denkmal zu befrieden und einen angemessen (neuen?) Platz für das Standbild König Wilhelms II. zu finden. Um dieses Ziel zu erreichen, gab der Direktor des Museums für Stuttgart, Torben Giese, am Freitagabend den Startschuss zu nichts weniger als einem „Diskursjahr“, das seinen Höhepunkt in der Ausstellung „Wilhelm II. – König von Württemberg“ ab 2. Oktober finden soll – just also am 100. Todestag des Monarchen. Mit Hilfe von mehr als 15 Vorträgen, Workshops und Gesprächsrunden, die das Museum im Laufe des Jahres veranstalten will, soll sich die Stadtgesellschaft einer Entscheidung zur Zukunft der 1991 auf Initiative von Bürgern vor dem Wilhelmspalais aufgestellten Bronzeplastik annähern.

 

Kolonialismus-Debatte

Dass das nicht ganz einfach werden dürfte und weit grundsätzlichere Fragen aufwerfen wird, als allein die nach der geschichtlichen Einordnung des letzten württembergischen Königs, darauf machte Torben Giese am Freitagabend in seinem live ins Internet übertragenen Auftaktvortrag richtigerweise aufmerksam: „Welche Fragen sind es eigentlich, die die aktuelle Diskussion um das Denkmal bestimmen? Warum ist der Standort des Denkmals so entscheidend? Warum streiten wir darüber?“ Giese stellt letztlich am Beispiel von König Wilhelm II. all jene Fragen, die aktuell auch in Zusammenhang mit der deutlich weitreichenderen Kolonialismus-Debatte und dem Schlagwort einer Cancel Culture weltweit geführt werden.

„Demokrat auf dem Bürgerthron“

Auch in Bezug auf das Königs-Standbild mit Hunden ist es zweifellos ein notwendiger gesellschaftlicher Aushandlungsprozess. Wie Giese betont, gehe es ganz generell „beim Erinnern weniger um eine historische Wahrheit als vielmehr um das, was uns an der Vergangenheit wichtig ist“. Auszuhandeln sei, was wir „im Hier und Jetzt erinnern möchten“. Dass dieser Wille zur Erinnerung ganz natürlicherweise sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterworfen ist, ist bei all diesen Konflikten sozusagen des Pudels Kern. So gab, erklärt der Museums-Leiter, in den 1970er-Jahren der schwäbische Literat Thaddäus Troll in einer nach Identität suchenden Gesellschaft den Anstoß, den mutmaßlichen „Demokraten auf dem Bürgerthron“ dem kollektiven Vergessen zu entreißen. Und genau so werde – mit umgekehrte Vorzeichen – auch heute wieder eine „Veränderung der Erinnerungskultur an Wilhelm II. eingefordert“.

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Freilich muss Giese einräumen, dass es sich dabei gegenwärtig in Stuttgart keineswegs um eine Vielzahl von gesellschaftlichen Akteuren handelt, die Letzteres zum Thema gemacht haben, sondern „das Team des Stadtpalais“ selbst. Ihm bereite „die erfolgreiche und durchaus wirkungsmächtige Integration des letzten württembergischen Königs in die demokratisch-liberale Tradition Württembergs einige Bauchschmerzen“. Und tatsächlich: Ginge es allein um die Würdigung der frühen liberalen Tradition Württembergs, würden sich andere Persönlichkeiten vermutlich weit besser eignen.

Veränderungen in der Erinnerungskultur

Giese betont denn auch in seinem Vortrag, dass es um ein Richtig oder Falsch in der Debatte schlussendlich nicht gehen könne, zumal sich die Veränderungen in der Erinnerungskultur und die „historische Authentizität des Denkmals“ unversöhnlich gegenüber stünden. Erinnerungskultur sei, so Giese, eben kein „Wissenstransfer aus der Wissenschaft in die Gesellschaft hinein“. Am Ende sei der gesellschaftliche Konsens alles entscheidend. Man möchte ergänzen: wie immer der auch zustande kommt und aussehen mag.

Insofern wäre es denn auch enttäuschend, wenn das Resultat eines ganzen „Diskursjahres“ über die württembergische Monarchie und die Rolle, die der huttragende König darin spielte, allein darin bestünde, herauszufinden, wo nun genau das Denkmal in der Stadt künftig seinen Platz haben wird. Wenn es jedoch darüber hinaus exemplarisch gelänge aufzuzeigen, wie künftig Debatten um die Erinnerungskultur einer (Stadt-)Gesellschaft geführt werden müssen, um einen möglichst breiten Konsens überhaupt zu erringen, dann wäre das vermutlich der eigentliche Erfolg.