Staus und übervolle S-Bahnen herrschen zwischen dem Strohgäu und dem Stuttgarter Norden. Während man im Kreis Ludwigsburg die Strohgäubahn verlängern will, hat der Regionalverband andere Pläne.

Stuttgart/Ludwigsburg - Jeden Tag das gleiche Bild: Staus auf der B 10 von Schwieberdingen nach Zuffenhausen, Staus nach Feuerbach, Staus von Korntal vor Porsche. Und auf der S-Bahnlinie S 6 häufen sich Verspätungen, Ausfälle und übervolle Waggons. Das Problem haben alle erkannt – aber bei der Lösung ist man uneins. Im Kreis Ludwigsburg würde man am liebsten die Strohgäubahn bis nach Feuerbach rollen lassen. Aber der für Verkehr zuständige Regionaldirektor Jürgen Wurmthaler hat dem kurz vor der Sommerpause ziemlich überraschend eine deutliche Absage erteilt.

 

Überraschend deswegen, weil man im Strohgäu auf alte Verabredungen mit der Region setzt: Wenn die S 6 überlastet ist, kann die Strohgäubahn irgendwann wieder in den Stuttgarter Norden einfahren. Das zumindest ist die Sichtweise von Joachim Wolf, der Bürgermeister von Korntal-Münchingen. Im Vertrauen auf diese Zusage hat der Zweckverband Strohgäubahn auch die Leittechnik für viel Geld so aufgerüstet, dass sie mit der S-Bahn kompatibel ist.

Region: Mehr S-Bahnen bringen 9000 zusätzliche Fahrgäste

Doch Jürgen Wurmthaler setzt ganz andere Prioritäten, wie er erklärt. „Mir geht es darum, möglichst viele zusätzliche Fahrgäste zu bekommen“, sagt er. Dazu habe man ein Gutachten des Verkehrswissenschaftlichen Instituts VWI in Stuttgart in Auftrag gegeben. Demnach sei der Effekt am größten, wenn man den Takt der S 6 verdichte: mit 9000 zusätzlichen Fahrgästen. „Man könnte doppelt so viele S-Bahnen fahren lassen“, erklärt Wurmthaler. Und zwar ab der Endhaltestelle Weil der Stadt. Würde der doppelte Takt erst ab Leonberg gelten, kämen nur 4000 Passagiere zusätzlich, ab Korntal 1000.

Aber was ist mit der Strohgäubahn? Eine direkte Verbindung nach Stuttgart wäre für Fahrgäste aus Heimerdingen, Hemmingen, Schwieberdingen und Münchingen attraktiv. Dafür bringt Wurmthaler einen völlig neuen Vorschlag aus der Feder des VWI ins Spiel: Die Strohgäubahn könnte ab dem Bahnhof Korntal auf der Güterverkehr-Strecke nach Zuffenhausen fahren, beim Porsche-Ausbildungszentrum auf die Stadtbahnlinie U 15 treffen und weiter bis zum Wohngebiet Salzweg fahren. „Dagegen hätten wir nichts“, sagt Wurmthaler, „das muss aber im Kreis Ludwigsburg entschieden werden.“

Der Landkreis will die Strohgäubahn verlängern

Dieser Vorschlag überrascht die hiesigen Kommunalpolitiker. „Ich habe davon noch nie etwas gehört“, sagt etwa der Korntaler Bürgermeister Wolf. Seine Priorität ist eine andere: Die Strohgäubahn bis Feuerbach. Dann könnte man wichtige Arbeitgeber wie das Porsche-Hauptwerk an der Haltestelle Neuwirtshaus und Bosch in Feuerbach erreichen. Gegen einen dichteren Takt auf der S6 ist Wolf nicht grundsätzlich, aber: „Für die Strohgäubahn bringt das natürlich nichts.“

Auch der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas unterstützt dabei die Strohgäu-Bürgermeister, zu denen auch der Ditzinger OB Michael Makurath gehört. „Wir wollen noch einmal ins Gespräch kommen“, hat er kürzlich auf einer Pressekonferenz erklärt. Eine Offensive soll im Herbst gestartet werden. „Man kann über alles reden, es gibt auch noch keine endgültige Entscheidung der Gremien“, sagt Jürgen Wurmthaler, „aber meine Prioritäten liegen eher bei der S 6.“

Bis 2012 ist die Strohgäubahn schon bis Feuerbach gefahren

Der Regionaldirektor führt bei der Strohgäubahn technische Schwierigkeiten ein: In Zuffenhausen müsse ein neues Gleis gebaut werden, und auch in Feuerbach sei die Einfahrt schwierig und erfordere Umbauten: „Die Strohgäubahn hat 55 Zentimeter hohe Einstiege, die S-Bahn hat 96 Zentimeter.“ Dieses Argument wiederum lässt man auf der Gegenseite nicht gelten. „Dafür gäbe es Lösungen“, sagt etwa der Korntal-Münchinger Bürgermeister Wolf. Er ist auch etwas verwundert über die Art der Kommunikation mit dem Regionalverband: „Wir haben aus der Presse von der Absage erfahren.“

Kurioserweise gibt es für beide Ideen historische Vorbilder. Als die S 6 in Betrieb genommen wurde, gab es in den Stoßzeiten einen Zehn-Minuten-Takt – weil nicht wie auf anderen S-Bahnlinien parallel ein Regionalzug gefahren ist. Und die Strohgäubahn ist bis Dezember 2012 noch während der Hauptverkehrszeiten regelmäßig nach Feuerbach gefahren, um dort auf dem stumpfen Gleis 1a die Fahrt zu beenden. Und das bleibt weiterhin das Ziel der Kommunalpolitiker aus dem Landkreis.