Die ab 1. Januar vorgesehenen und gerichtlich bestätigten Fahrverboten für Diesel der Euronorm 4 und schlechter müssen im Gemeinderat behandelt werden. Im zuständigen Ausschuss konnte kein Mehrheitsbeschluss herbeigeführt werden, weil ein Stadtrat sich noch nicht entscheiden konnte.

Stuttgart - Der politische Streit über die drohenden Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge ab dem 1. Januar beschert den Stuttgarter Stadträten am Donnerstag eine Marathon-Sitzung. Auslöser war einmal mehr der Einzelstadtrat der Stadtisten, Ralph Schertlen. Mit seiner Ankündigung, sich aufgrund „interner Debatten“ mit der Basis der Stimme zu enthalten, hätten Grüne, SPD und SÖS/Linke-plus (acht Stimmen), im Ausschuss keine Mehrheit für die im Lufreinhalteplan vorgesehene Maßnahme gehabt. Schertlen, der nur aufgrund einer Zählgemeinschaft mit SÖS/Linke-plus Sitz und Stimme im Ausschuss hat, hatte in der Vergangenheit schon mehrfach mit seinem unberechenbaren Abstimmungsverhalten dafür gesorgt, dass wichtige Entscheidungen in die Vollversammlung verlegt werden mussten. So muss etwa der Beschluss die Einrichtung einer Fußgängerfurt über die B 14 auf Höhe der Oper ebenfalls erst im Plenum entschieden werden. Die Folge: Das Gremium wird am Donnerstag wohl bis spät in die Nacht tagen. Vor dem Luftreinhalteplan steht nämlich zunächst die stundenlange Generaldebatte über das Thema soziale Stadt auf der Tagesordnung. Dass der Rat dem Luftreinhalteplan zustimmt, gilt als wahrscheinlich: die ökosoziale Mehrheit verfügt dort mit dem OB über 32 von 61 Stimmen,

 

FDP-Stadtrat Michael Conz nennt Verweis auf Rechtslage „Rechtsstaatsgesäusel“

CDU, Freie Wähler, FDP und LKR, die ebenfalls acht Ausschussmitglieder stellen, machten im Ausschuss erneut deutlich, dass sie das vom Stuttgarter Verwaltungsgericht verhängte und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Fahrverbot für ältere Diesel, das für das gesamte Stadtgebiet gelten soll, nicht akzeptieren. Auch die Ausführungen des von der Stadt hinzugezogenen Rechtsanwalts Michael Uechtritz änderten daran nichts. Der Jurist hatte den Ausschussmitgliedern zuvor dargelegt, dass die Stadt etwa beim Thema Fahrverbot nicht frei entscheiden könne, sondern einer Rechtspflicht infolge der Gerichtsurteile unterliege. Auch OB Fritz Kuhn (Grüne) betonte, vieles liege nicht in seinem Ermessen: „In bestimmten Bereichen bin ich rechtlich gebunden, unabhängig von meiner politischen Meinung.“ Grüne und SPD verwiesen darauf, dass die CDU vor einem Jahr auf den Stuttgarter Talkessel beschränkte Fahrverbote mit dem Hinweis auf den zu erwartenden Ausweichverkehr abgelehnt habe. Nun stelle man sich quer, wenn es um flächendeckende Fahrverbote in der gesamten Umweltzone gehe. „Die CDU stiehlt sich aus der Verantwortung und hat ein Problem mit dem Rechtsstaat“, so SPD-Fraktionschef Martin Körner. Alexander Kotz erwiderte, die CDU plädiere nun „unter juristischem Druck“ für eine räumliche Begrenzung der Fahrverbote. Ein ganz anderes Verständnis offenbarte der FDP-Stadtrat Michael Conz: Er sei das „Rechtsstaatsgesäusel“ leid, ihm gehe es darum, unabhängig von Gerichtsurteilen seine politische Meinung zu artikulieren: „Ich muss ja nicht mit jedem Urteil einverstanden sein.“