Eine Medienkampagne rollt: Die ARD wird als perfide Manipulationsmaschine gezeichnet. Von einem bösen Geheimpapier ist die Rede. Dabei ist das Ganze eine Luftnummer.

Stuttgart - Verschwörungsthriller können Spaß machen. Und lukrativ sein. Einen Verschwörungsthriller wollen auch einige deutsche Medien derzeit herbeischreiben, mit der ARD in der Schurkenrolle. Die „Bild“-Zeitung formuliert wie meist am dreistesten: „So will die ARD uns umerziehen“ gibt sie Alarm, warnt vor einem „Geheimpapier“, vor einer „Umerziehungs-Fibel“ und vor „Manipulation“. Die ARD besitze eine Sprachanleitung, „um private Sender gezielt schlecht zu reden“.

 

Was ist konkret geschehen? Die ARD-Führungsetage hat ganz richtig bemerkt, dass in der Debatte über Mängel des öffentlich-rechtlichen Apparats die radikalsten Gegner des Systems die Herrschaft über Sprache und Begrifflichkeiten erlangt haben. Das Wort „Zwangsgebühren“ für die Finanzierung des Systems durchsetzt jede Debatte mit dem Gestank des Ungeheuerlichen. Und nun greift auch der Begriff „Staatsfunk“ um sich, der suggeriert, die öffentlich-rechtlichen Sender besäßen keine journalistische Unabhängigkeit mehr, sondern seien Lautsprecher der Regierung.

Schwacher Rat von außen

In einer Welt schneller sozialer Medien, in denen griffige Sprüche komplexe Argumentationen alle Tage ausstechen, genügt Sacharbeit nicht, um Rhetorik zu kontern. Man muss sich auch selbst um ein wenig rhetorischen Schmiss bemühen. Weil vielleicht nicht mehr jeder ARD-Hierarch nach einem Berufsleben voller interner Sitzungen und Hickhackveranstaltungen ein fescher Meister flotter Rede mit einem Gespür für Volkes Stimmung ist, hat sich die ARD externen Rat geholt. Sie hat bei der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling einen Gedankenanstoß bestellt, wie man der Debatte Herr werden könnte. In Fachkreisen nennt man den Versuch, mit der Prägung von Begriffen und Fragen festzulegen, in welchen Grenzen sich eine Debatte bewegt, Framing.

Wehling schlägt vor, mit Floskeln wie „unser gemeinsamer freier Rundfunk ARD“ für das eigene Haus und mit „profitwirtschaftliche Sender“ für die private Konkurrenz die Sympathien der Bürger neu auszurichten. Man kann das eher hilflos finden. Man muss aber auch im Hinterkopf behalten, dass zum Versuch, einen neuen Blick auf alte Probleme zu gewinnen, gerade die schrägen, die läppischen, albernen und unfertigen Ideen, die Übertreibungen und Fantastereien willkommen sein müssen. Man lernt auch, wenn man etwas vor sich hat, was eher nicht geht.

Ungeschickt und überrumpelt

Das interne Papier der ARD, das nun plötzlich so aufgeregt diskutiert wird, ist zwei Jahre alt. Viele der jetzt getadelten Formulierungen hat der Senderverbund in seiner Öffentlichkeitsarbeit nie verwendet. Wie auch? „Die moralische Begründung der Programvielfalt“, steht bei Wehling, „liegt in den unterschiedlichen Bedürfnissen derjenigen Bürger, die die ARD ermöglichen – durch ihre finanzielle Beteiligung und darüber hinaus.“

So praxisuntauglich die angebliche „Umerziehungs-Fibel“ ist, so ungeschickt hat sich die überrumpelte ARD in der Debatte darum bislang angestellt. Sie kommt nicht dagegen an, dass ihre Gegner ein internes Arbeitspapier, das wieder in der Schublade verschwunden ist, zum „Geheimpapier“ vergruseln. Mit anderen Worten: die ARD bekommt gerade vorgeführt, wie Framing funktioniert, wenn Polemiker keine Skrupel kennen. Der Reformbedarf bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist unbestreitbar. Aber die jetzige Debatte ist eine Luftnummer von Gauklern, denen man nicht trauen sollte.