Das Weihnachtsessen ist vorbei, die Vorwürfe wegen dessen Finanzierung bleiben. Jetzt stellt Hemmingens Bürgermeister der SPD ein Ultimatum: Entweder sie entschuldigen sich – oder die Verwaltung erstattet Anzeige. Die Fraktion positioniert sich klar.

Hemmingen - Die Situation im Hemminger Gemeinderat erreicht eine neue Eskalationsstufe. Und sie spitzt sich wohl noch weiter zu, denn die SPD hält an ihren Vorwürfen zum Umgang mit der Gemeinschaftskasse des Gemeinderats fest. Bei der jüngsten Sitzung wurde der Haushalt für dieses Jahr verabschiedet. Dazu hält ein Vertreter jeder Fraktion eine Rede. Als der Chef der SPD an der Reihe war, verließen die Mitglieder der anderen Fraktionen den Saal. Übrig blieben der Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU), die weiteren Vertreter der Verwaltung sowie die Zuhörer in den hinteren Reihen. „Wir haben ein Zeichen gesetzt“, sagte die Liberale Barbara von Rotberg. „Das ist kein demokratisches Verhalten der SPD. Sie schüttet Dreck über Gemeinderat und Verwaltung aus.“

 

Derart deutliche wie harsche Worte in Richtung der Sozialdemokraten eint die Ratsfraktionen derzeit. Auch der Bürgermeister ist stinksauer. Er lasse die Vorwürfe nicht auf sich sitzen, sagte Thomas Schäfer – und stellte der SPD ein Ultimatum. „Ich fordere Sie auf, von den Anschuldigungen Abstand zu nehmen oder die entsprechende Konsequenz zu ziehen und Anzeige zu erstatten.“ Bleibe die SPD bei ihren Vorwürfen, zeige er sie wegen „falscher Verdächtigung“ und „übler Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens“ an.

Das Landratsamt äußert sich eindeutig

Zuvor hatte Schäfer die Stellungnahme der Kommunalaufsicht des Landratsamts vorgelesen. Die Geschenkannahme sei nicht zu beanstanden, heißt es aus Ludwigsburg. „Damit ist der beamtenrechtliche und disziplinarrechtliche Vorwurf vollumfänglich entkräftet“, sagte der Bürgermeister – stehe also noch „der Vorwurf der strafrechtlichen Vorteilnahme im Amt im Raum“. Wie die SPD-Fraktion damit umzugehen gedenke?

Hintergrund des Streits ist die Praxis der Gemeinschaftsveranstaltungen des Gemeinderats: Unter anderem gab es das Jahresessen nach der letzten Sitzung vor Weihnachten. Partner nahmen daran teil, die drei Amtsleiter sowie der Bürgermeister. Vor 2012 zahlte all das die Gemeindekasse, nach einer Beanstandung durch die Gemeindeprüfungsanstalt änderte der Gemeinderat einstimmig den Modus: Das Sitzungsgeld der Räte wurde erhöht, ein Teil davon einbehalten. Aus dieser Kasse finanzierten sie dann ihre eigenen Kosten, die ihrer Partner und die der eingeladenen Rathaus-Bediensteten.

Die SPD ist inzwischen aus dem Modell ausgestiegen. Ihre Räte zahlten die Kosten künftig selbst, sagte der Fraktionschef Wolfgang Stehmer. Man wolle nicht, dass Hauptamtliche mit Geld der Gemeinderäte eingeladen würden. Zudem wiederholte und erweiterte die SPD ihre Vorwürfe: Es gebe keine Spielregeln für die Kasse, die Kassenführung sei nicht transparent, Dritte hätten Geld entnommen und seien begünstigt worden. Die Fraktion ist gar überzeugt: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben sich strafrechtlich und beamtenrechtlich relevante Sachverhalte.“

SPD: „Wir wissen nicht, wofür wir uns entschuldigen sollen“

Und sie sieht sich weiter im Recht. „Wir wissen nicht, wofür wir uns entschuldigen sollen“, sagte Stehmer. Man habe auf den Sachverhalt hingewiesen und seine Sicht der Dinge begründet – „das gefällt vielen nicht“. Auf Anfrage unserer Zeitung sagte Stehmer auch, dass die SPD keine Anzeige erstatte. „Wen sollen wir denn verklagen?“ Einer Strafanzeige durch Verwaltung und Gemeinderat sehe man gelassen entgegen.

Zugleich beklagt der Fraktionschef mangelnden Respekt im Gremium. „Es ärgert uns, dass man uns nicht zuhört. Den Saal zu verlassen, deklassiert die Haushaltsrede als reine Fensterrede.“ Die SPD hofft nun, dass der Streit bald beigelegt ist und sich das Verhältnis normalisiert. Man wolle im Gemeinderat eine gemeinsame Arbeit und zurück zur Sachpolitik, sagte Stehmer. „Doch wenn die Akteure so weitermachen, auch mit persönlichen Angriffen, und der Bürgermeister nicht einschreitet, verbessert sich nichts.“

Freien Wähler sprechen von einer Schlammschlacht

Da sich die SPD bereits in der Sitzung nicht entschuldigte, kündigte Jürgen Arnold im Namen der Selbstständigen unter den Räten an, rechtliche Schritte zu prüfen. Ihnen wird indirekt ein Bestechungsversuch vorgeworfen. „Solch eine ungeheure Behauptung ohne die geringsten Anhaltspunkte in den Raum zu stellen, widerspricht unserem rechtsstaatlichen Grundverständnis auf das Äußerste“, sagte der stellvertretende Bürgermeister und CDU-Rat. Auch sprach er von einer „rein selbstverherrlichenden und populistischen Vorgehensweise“, die sämtliche Prüfungen durch die Fachbehörden schlicht ignoriere. Die SPD zerstöre die Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit.

Sabine Waldenmaier von den Freien Wählern sagte: „Was wir momentan erleben, macht uns fassungslos. Und vermutlich reicht diese Fassungslosigkeit weit über Hemmingen hinaus.“ Diese „Schlammschlacht“ beflecke das Ansehen von Gemeinderat und Verwaltung.

Auch Barbara von Rotberg hofft auf eine Annäherung – zumal die „normale Gemeinderatsarbeit“ parallel weitergehen müsse. Gleichwohl äußert sie Bedenken: „Das Grundvertrauen ist vergiftet.“ Man müsse Fake News (falsche Behauptungen) nur oft genug wiederholen. „Irgendwann glauben es ein paar Leute.“