Boris Palmer sorgt wieder für Wirbel. Der Tübinger OB will Energie sparen – und schaltet nachts alle Straßenlaternen in der Stadt aus. Das sei gefährlich und nicht erlaubt, sagen Rechtsexperten. Palmer selbst spricht von einer „typisch deutschen Diskussion“.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Nachts alle Straßenlaternen aus in Tübingen? Die Energiespar-Maßnahme des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer und seine Bitte um ein Machtwort von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck macht auch Rechtsexperten skeptisch. Denn weil Zebrastreifen im Dunkeln beleuchtet sein müssen, verstößt Palmer damit gegen geltendes Recht.

 

Boris Palmer kann nicht einfach ein Gesetz aushebeln. Pauschal die gesamte Beleuchtung abzuschalten, lässt sich mit der Beleuchtungspflicht von Gemeinden nicht in Einklang bringen“, sagt der Verwaltungsrechtler Henning J. Bahr, Vorsitzender der Regionalgruppe Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).

Was, wenn es zu einem Unfall kommt?

Die Stadt Tübingen müsse – wie andere Gemeinden in Baden-Württemberg auch – im Dunkeln alle potenziellen Gefahrenstellen in der Stadt beleuchten. Dazu zählten nicht nur Zebrastreifen, sondern auch Kreuzungen ohne Ampeln. Palmers Brandbrief an Vizekanzler Robert Habeck mit der Bitte um ein Machtwort werde laut Bahr wohl nichts bewirken: „Da können sich sowohl der Tübinger OB als auch der Bundesminister auf den Kopf stellen, da wird sich nichts ändern“, so Bahr. Auch Ausnahmen seien bei der Beleuchtungspflicht nicht vorgesehen.

Der Rechtsexperte entkräftet Palmers Begründung, es sei technisch nicht möglich, ausschließlich die Laternen um die Zebrastreifen anzulassen: „Dann muss er es technisch möglich machen.“ Auch das Regierungspräsidium Tübingen teilt auf Anfrage mit, es könne „weder auf technische Hinderungsgründe noch auf Energiesparabsichten“ verwiesen werden.

Sollte es zu einem Unfall an einem unbeleuchteten Zebrastreifen kommen, müsse die Stadt Tübingen möglicherweise mit einer Schadensersatzklage rechnen, „das hängt aber vom Einzelfall ab“, so Bahr. Palmer sieht diese Gefahr nicht und sagt auf Anfrage unserer Redaktion: „Die typisch deutsche Diskussion, was passiert, wenn sich ein Restrisiko realisiert, treibt unser Land in die völlige Lähmung.“ Und weiter: „Ich bin überzeugt, dass Menschen, die nachts um drei über die Straßen gehen, gar nicht zum Zebrastreifen laufen und die Hand ausstrecken, um ein Auto anzuhalten, sondern einfach rüber laufen, wenn grad frei ist.“