Auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende sind in Ludwigsburg noch immer Straßen nach ausgewiesenen Rassisten und Nationalsozialisten benannt. Der Gemeinderat diskutiert seit Jahren darüber – aber nur halbherzig. Eine Historikerkommission soll jetzt die Debatte voranbringen.

Ludwigsburg - Auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende sind in Ludwigsburg noch immer Straßen nach ausgewiesenen und von Hitler zu Vorbildern erklärten Rassisten und Nationalsozialisten benannt. Seit einigen Jahren bemüht man sich im Gemeinderat, diesen Missstand zu beenden – allerdings nur halbherzig. Jetzt hat eine Expertenkommission die Arbeit aufgenommen. Sie soll möglichst zweifelsfrei klären, welche Namensgeber ob ihres Verhaltens und ihrer Proklamationen während der Nazizeit unhaltbar geworden sind.

 

Holzwiesen statt „Hängepeters“

Schon 2014 hatte der Ludwigsburger Stadtarchivar eine Liste mit Namen von belasteten Personen vorgelegt. Etwa Carl Diem, August Supper oder Ernst Heinkel. Auch nach Karl Peters, lange schon als verbrecherischer Kolonialist in Deutsch- Südwestafrika, dem heutigen Namibia, bekannt, ist noch immer eine Straße im Stadtteil Eglosheim benannt. Wegen verschiedener Massaker an Eingeborenen war Peters bereits im wilhelminischen Reich in Ungnade gefallen und unehrenhaft aus der Armee entlassen worden. Später war er von Hitler als eine Art Vorkämpfer des Nazismus aufs Schild – und ganz wörtlich auf Straßennamenschilder – gehoben worden.

Nach langen Debatten war vor zwei Jahren entschieden worden, dass nur die nach „Hängepeters“ benannte Straße umgewidmet werden solle. Geschehen ist seither wenig. Erst in der vergangenen Woche wurden dem Stadtteilausschuss Eglosheim zwei Namen zur Auswahl vorgelegt: Entweder solle die Karl-Peters-Straße künftig Fleiner Straße oder Holzwiesen heißen. Im Stadtteil schlug das Pendel zugunsten von Holzwiesen aus. Im Dezember soll auch der Gemeinderat abstimmen.

In der Karl-Peters-Straße stehen nur sechs Häuser, für deren Bewohner sich die Adresse dann ändern wird. Aus Rücksicht auf die Bewohner der übrigen nach rassistisch und nazistisch belasteten Personen benannten Straßen hatte die Mehrheit im Gemeinderat – allen voran die CDU – 2014 eine Umbenennung abgelehnt. Man könne ihnen diesen bürokratischen Aufwand einer Adressänderung nicht zumuten.

Heinkel und Diem sind raus

Die Grünen wollten das damals nicht hinnehmen und beantragten die Einsetzung einer unabhängigen Kommission. Die Federführung dafür lag bei Stadtarchivar Simon Karzel. Er hat drei Experten für die Kommission gesucht und in Peter Poguntke,Frank Raberg, und Volker Rieß gefunden. Poguntke ist Wissenschaftler und Journalist und hat sich bereits in Stuttgart mit historisch belasteten Straßenpaten befasst, der Historiker Rieß war mehrfach als Gutachter für die Zentrale Stelle zur Aufklärung von Naziverbrechen in Ludwigsburg tätig, und Raberg, ebenfalls Historiker, ist Spezialist für Politikerbiografien.

„Die Kommission wird sich zweimal im Jahr treffen“, sagt Karzel. Der Gemeinderat listet Straßen auf, deren Paten möglicherweise belastet sind und die Experten erstellen Gutachten. Über alles weitere entscheidet dann wiederum der Rat. Heinkel oder Diem jedoch stehen wegen des Beschlusses von 2014 nicht mehr zur Debatte.