Auf Arbeitgeberseite war es stets geradezu verhasst: das Bildungszeitgesetz, das jedem Arbeitnehmer in Baden-Württemberg bezahlte Freistellung für Weiterbildung garantiert. Die bisherigen Erfahrungen geben wenig Anlass zur Aufregung, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Einer der zwölf Fälle, die nach Inkrafttreten des Bildungszeitgesetzes in Baden-Württemberg vor Gericht gelandet sind, hat alle Vorurteile der Arbeitgeberverbände belegt: Da hatte ein Mechatroniker die bezahlte Freistellung für einen zweiteiligen Spanisch-Intensivkurs Ende 2016 und Anfang 2017 beantragt – in Costa Rica und Panama. Der Bildungsträger hatte im Prospekt sogar mit Strandnähe geworben. Der Arbeitgeber aus der chemischen Industrie weigerte sich mit Recht. Ergebnis war ein Vergleich: Der Mann erhielt lediglich unbezahlten Urlaub.

 

Politische Bildung als Gegengift zum Rechtspopulismus

Schöner lernen zulasten der Firma und der Kollegen – welch ein Irrsinn. Es gibt immer Menschen, die ein System egoistisch ausnutzen. Davon darf der Gesetzgeber aber nicht ausgehen. Vielmehr ist von der Bildungszeit generell Positives zu erwarten: mehr politische Bildung als Gegengift zur Anziehungskraft der Rechtspopulisten und mehr Qualifikationen für Ehrenämter. Ob diese Ziele auch erreicht werden, bleibt offen. Denn die Motivation zur Teilnahme scheint gering zu sein. Das Gesetz ist in Arbeitnehmerkreisen bisher nicht so bekannt, dass es in großem Umfang genutzt würde. Für eine zügige Einschränkung durch die Landesregierung spricht dies aber nicht. Grün-Schwarz sei eher zur Gelassenheit geraten, bevor der alte Konflikt in noch größerer Vehemenz neu aufbricht.