Ein Streit um die Stromversorgung auf dem Balkan bremst viele Uhren in Europa. Technisch wäre der Fehler zu beheben, was fehlt, ist die politische Lösung.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Dass die Uhren mancherorts anders gehen, ist nichts Neues. Das fängt manchmal schon hinter der Stadtgrenze an. Dass aber europaweit die Uhren, die am Stromnetz hängen, seit Wochen knapp sechs Minuten nachgehen, ist dann doch eine neue Erfahrung. Ob sie dazu geeignet ist, das vielfach vermisste europäische Wir-Gefühl zu stärken, muss allerdings bezweifelt werden. Wer davon kalt erwischt wird, sich morgens am Frühstückstisch noch einen Kaffee gegönnt hat und dann den Zug verpasst, wird eher wütend danach fragen, wer da nicht richtig tickt.

 

Leider ist es so, dass die nachgehenden Uhren eher eine Steilvorlage dafür sind, bestehende Vorurteile gegenüber einigen Ländern auf dem Balkan zu bestätigen: Unstimmigkeiten zwischen den Stromnetzbetreibern im Kosovo und in Serbien sind die Ursache dafür, dass seit Mitte Januar in ganz Kontinentaleuropa Uhren an Backöfen, Herden, aber auch – besonders tückisch – an Radioweckern in Rückstand geraten sind. Diese Uhren richten sich nach der Frequenz im Stromnetz. Normalerweise beträgt sie 50 Hertz. Jetzt liegt sie bei 49,996!

Das Kosovo müsste mehr Strom liefern, will aber nicht

Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E hat am Mittwoch Alarm geschlagen: Wegen einer Stromlücke, die politischen Reibereien zwischen Serbien und dem Kosovo zuzuschreiben ist, ist die Frequenz im Netz seit Mitte Januar abgefallen. Offenbar müsste das Kosovo mehr Strom liefern, und Serbien weigert sich, die Lücke zu füllen. ENTSO-E verweist darauf, dass man technisch das Problem in den Griff bekomme, sieht aber die Politik am Zug. Sie müsse dafür sorgen, dass die Länder ihre Kabbeleien nicht auf dem Rücken von Hunderten Millionen Kunden austragen.

25 Länder sind betroffen, von der Türkei bis zu den Niederlanden. Da das Stromnetz fast aller kontinentaleuropäischen Länder miteinander verbunden ist, die nationalen Netze also in einem Takt schwingen, hat sich das retardierende Moment über Tausende von Kilometern fortgesetzt. Die gute Nachricht ist: Die nachgehenden Uhren lassen sich manuell wieder auf Kurs bringen. Die schlechte Nachricht ist: Eine weitere Korrektur ist nötig, wenn das System wieder im normalen Takt schwingt. Bis es so weit ist, dürften aber noch Wochen vergehen.