Vor allem kleinere Unternehmen in der Region Stuttgart haben noch einen erheblichen Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Dabei ist die Weiterbildung der Mitarbeiter ein zentrales Thema. Die Bedeutung der Dienstleistungen für die regionale Wirtschaft nimmt zu.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Der Hauptgeschäftsführer der Industrie und Handelskammer Region Stuttgart, Andreas Richter, hat die Unternehmen zu größeren Anstrengungen bei der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter aufgerufen. Bei der Vorlage des Strukturberichts für die Region Stuttgart sagte Richter, gerade mit Blick auf die Digitalisierung sei die Fortbildung der Beschäftigten „ein Riesenthema“. Zumindest bis zu einem gewissen Alter seien diese sehr interessiert daran, sich auf die kommenden neuen Anforderungen einzustellen. „Das Problem liegt weniger bei der Belegschaft als bei den Arbeitgebern“, meinte Richter. Diese müssten frühzeitig mit der Weiterbildung anfangen.

 

Digitalisierung ist der Schwerpunkt des im zweijährigen Turnus vorgelegten Strukturberichts für die Region. Verfasst wird dieser im Auftrag von Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, IG Metall und dem Regionalverband Stuttgart vom IMU-Institut in Stuttgart und dem Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen.

Durchgehende Vernetzung noch weit entfernt

Bettina Seibold vom IMU-Institut sagte bei der Präsentation des Berichts, die meisten Unternehmen der Region seien von einer durchgehenden digitalen Wertschöpfungskette – also etwa vom Einkauf über die Produktion und den Verkauf bis hin zur Buchhaltung – „noch weit entfernt“. Den kleinen und mittleren Unternehmen fehlten oft sowohl die nötigen Finanzmittel als auch das Personal , um die Digitalisierung voranzutreiben. Die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze würden in verschiedenen Gutachten unterschiedlich dargestellt, „aber alle sagen, dass sich die Arbeit grundlegend verändern wird“.

IG Metall will Innovationsbeirat

Uwe Meinhardt, der stellvertretende Sprecher der Stuttgarter IG Metall berichtete, aus den Betrieben höre er immer wieder, dass sich die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze erst Mitte des nächsten Jahrzehnts zeigen würden. Dies dürfe aber kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen, zumal die Digitalisierung in der Autoindustrie auch mit dem autonomen Fahren verknüpft sei. Ähnlich wie in der Gegend um Gaggenau sollte auch in Stuttgart ein Transformationsbeirat für die Autoindustrie eingerichtet werden.

Für Handwerksbetriebe sei es oft schwierig, mit der Digitalisierung Schritt zu halten, meinte Thomas Hoefling, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart. Die Kammer biete deswegen ein umfangreiches Beratungsangebot an. Auch die gute Konjunktur verhindere oft eine intensive Weiterbildung der Beschäftigten. Nach Ansicht von Regionaldirektorin Nicola Schelling darf sich eine flächendeckende Glasfaserverkabelung nicht auf Gewerbegebiete beschränken. Schon um autonomes Fahren möglich zu machen sei dies auch in Wohngebieten nötig.

Bedeutung der Autoindustrie für Wirtschaft wächst

Im „größten industriellen Ballungsraum Europas“ seien die Voraussetzungen für ein schwungvolles Vorantreiben der Digitalisierung gut, meinte Richter. Die gute wirtschaftliche Entwicklung der vergangene Jahre sei insbesondere auf die hohe Exportquote in der Region zurückzuführen. Nach den Angaben des Berichts hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in den vergangenen Jahren deutlich auf 1,2 Millionen erhöht.

Davon arbeiten zwei Drittel im Dienstleistungsbereich. Ebenfalls zwei Drittel der neuen Arbeitsplätze sind Teilzeitarbeitsplätze. Treiber im Dienstleistungsbereich, in dem die Zahl der Mitarbeiter deutlich stärker wuchs als im verarbeitenden Gewerbe, sind unternehmensnahe Dienstleistungen. Durch die Digitalisierung werde deren Bedeutung weiter zunehmen.

Auch in den Industrieunternehmen selbst werden Dienstleistungen immer wichtiger. In der Region Stuttgart ist mit knapp 400 000 Beschäftigten – dies ist jeder dritte Arbeitsplatz – der Anteil des produzierenden Gewerbes im bundesweiten Vergleich immer noch relativ hoch. Rund 208 000 Mitarbeiter sind bei Autobauern und deren Zulieferern beschäftigt. Fast 53 Prozent des Umsatzes im verarbeitenden Gewerbe werden im Automobilbereich erzielt. Vor 40 Jahren lag dieser Anteil noch unter 30 Prozent. Zweitgrößte Branche im verarbeitenden Gewerbe ist in der Region mit 72 000Beschäftigten und einem Umsatz von 26,6 Milliarden Euro der Maschinenbau.