Vor einem Jahr verschwanden 43 mexikanische Lehramtsstudenten spurlos. Eine Expertenkommission verwirft jetzt die offizielle Version der mexikanischen Regierung, berichtet Klaus Ehringfeld.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Mexiko-Stadt - Fast ein Jahr nach dem Verschwinden von 43 Lehramtsstudenten in Mexiko hat eine unabhängige Expertenkommission die offizielle, von der mexikanischen Justiz verbreitete Version des Verbrechens vom 26. September 2014 als unmöglich verworfen. In einem rund 500 Seiten starken Bericht kommen die Staatsanwälte, Psychologen und Anwälte nach sechsmonatigen Untersuchungen zu dem Schluss, dass die von der Generalstaatsanwaltschaft als „historische Wahrheit“ dargestellte Exekution und Verbrennung der Opfer auf einer Müllkippe in dem Ort Cocula nicht stattgefunden haben kann.

 

„Alle Beweise deuten darauf hin, dass es auf der Müllkippe bestenfalls kleine Feuer gegeben hat, aber keinen Großbrand, der nötig gewesen wäre, um 43 Leichen zu verbrennen“, heißt es in dem „Informe Ayotzinapa“, den die fünf Experten aus Kolumbien, Guatemala, Spanien und Chile am Sonntag in Mexiko-Stadt vorgestellt haben. Damit ist die Hauptthese der Regierung hinfällig, wonach die Studenten von der Landuniversität Ayotzinapa in der Nacht auf den 27. September von der örtlichen Polizei in Iguala im Bundesstaat Guerrero festgenommen und dann an Mitglieder der örtlichen Mafia Guerreros Unidos übergeben wurden. Diese sollen sie laut offizieller Version getötet und verbrannt haben. Die sterblichen Überreste wollen die Täter in Müllsäcken in einen Fluss geworfen haben.

Möglicherweise wurden die Geständnisse erzwungen

Zudem sei unklar, ob die von der Staatsanwaltschaft vorgeführten Täter tatsächlich die Mörder der Studenten seien oder ob die Geständnisse möglicherweise erzwungen wurden, sagte der spanische Arzt und Psychologe Carlos Beristain, Mitglied der Kommission. Die Experten wollten sich nicht zu der Frage äußern, ob die angeblichen Täter eventuell von der Justiz als solche konstruiert wurden, um den Fall möglichst schnell abzuschließen. Dies wird in Mexiko oft praktiziert, um Verbrechen zu den Akten zu legen oder die wahren Täter zu decken. Die Experten, die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission mit der parallelen Untersuchung beauftragt wurden, haben laut Bericht keine Beweise dafür gefunden, dass die jungen Männer tot sind. „Für uns sind sie noch immer vermisst“, betonte Beristain.