Nicht nur der Architekt Frei Otto, sondern auch Geologen schätzen die Risiken beim Bau von Stuttgart 21 durchaus kritisch ein.

Stuttgart - Nicht nur der Architekt Frei Otto, sondern auch von der Bahn beauftragte geotechnische und hydrologische Experten schätzen die geologischen Risiken beim Bau von Stuttgart 21 durchaus kritisch ein. Das Hamburger Magazin "Stern" zitiert in seiner heutigen Ausgabe aus einem angeblich bisher kaum bekannten geologischen Gutachten der Stuttgarter Firma Smoltczyk und Partner. » Das Unternehmen hatte im Jahr 2003 im Auftrag des Bauherrn Bahn den Stuttgarter Untergrund erkundet.

Die dem "Stern" vorliegende Studie belege, dass die geologische Struktur im Stuttgarter Talkessel "löchrig wie ein Schweizer Käse, mit Dolinen und Hohlräumen durchsetzt" sei, bilanziert der Autor des Berichts, Arno Luik. Das Gutachten beweise, wie tückisch der Stuttgarter Untergrund sei. Dies könne die Arbeiten verzögern und die Kosten in die Höhe treiben. Dem Bericht zufolge wurde die Studie nur einem kleinen Personenkreis - etwa dem Bahnhofsarchitekten Christoph Ingenhoven und der damaligen DB-Spitze - zugänglich gemacht.

Moralische Verantwortung zwingt Frei Otto zu massiver Kritik


Die Projektträger haben sowohl diese Ausführungen als auch die Vorwürfe des Architekten Frei Otto, der wegen unkalkulierbarer Risiken einen Stopp des umstrittenen Projekts fordert, zurückgewiesen. Die Äußerungen von Frei Otto, der Tiefbahnhof könne "überschwemmt" oder gar "wie ein U-Boot aus dem Meer aufsteigen", seien "fachlich nicht fundiert und entbehren einer soliden Grundlage", so der Projektsprecher Wolfgang Drexler. "In Stuttgart wurden bereits 40 Kilometer Tunnel gebaut, teilweise in denselben geologischen Schichten, und es ist bisher nichts passiert."

Der Architekt Frei Otto hatte 1997 zusammen mit Ingenhoven den Wettbewerb um den Bau des Tiefbahnhofs gewonnen. Vor etwa einem Jahr zog er sich aus der S-21-Projektgruppe wegen "wachsender Sicherheitsbedenken" zurück. Nachdem er sich vor einigen Tagen bereits via Stuttgarter Zeitung geäußert hat, müsse er nun erneut laut werden, sagte er dem "Stern". "Aus moralischer Verantwortung heraus kann ich nicht anders handeln. Die Summe der Unzulänglichkeiten zwingt mich dazu."

Ein einziger Krümel Gips kann zum sofortigen Baustopp führen


In dem Bericht äußert sich auch der Tübinger Diplomgeologe Jakob Sierig zu den Baurisiken im Stuttgarter Untergrund. Bereits im September 2009 hatten er und sein Partner Siegfried Kraft, mit dem er eine Firma für Geothermiebohrungen betreibt, in der Stuttgarter Zeitung vor den Gefahren bei Eingriffen in den quellfähigen Gipskeuper gewarnt. Dem "Stern" sagte Sierig jetzt, wenn man bei der Suche nach Erdwärme auf einen Krümel Gips stoße, dann werde aus Sorge vor Rissen in Häusern sofort ein Bohrstopp verhängt: "In Stuttgart bohrt man direkt in den Gips. Es geht hier nicht um Risse, es geht um mögliche Krater, in denen Häuser verschwinden können." Projektsprecher Drexler hält auch das für Panikmache. Das vom "Stern" zitierte Gutachten sei Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen. Von einem Geheimpapier könne keine Rede sein.