Jugendliche werden sehr früh über Online-Kanäle mit entblößten Geschlechtsteilen konfrontiert. Das haben Kommunikationswissenschaftler der Universitäten Münster und Hohenheim in Stuttgart nun herausgefunden.

Stuttgart - Es sind nur ein paar Klicks nötig, um zu sehen, wie variantenreich sich Menschen sexuell vergnügen können: Männer mit Frauen, Frauen mit Frauen, Männer mit Männern oder anderem. Und nein, besonders einfallsreich muss keiner sein, um die Barrieren zu überwinden, von denen es heißt, sie dienten dem Jugendschutz.

 

So ist es im Grunde zwar traurig, aber nicht sonderlich überraschend, was die Universitäten Münster und Hohenheim in Stuttgart nun herausgefunden haben: Demnach hat fast jeder zweite Jugendliche schon einmal einen Porno gesehen – Filmchen, bei denen die Geschlechtsteile beim Sex entblößt waren.

Jugendliche schauen immer früher zum ersten Mal Pornos

Die Studie verdeutliche, dass es sich nicht um ein randständiges Mediennutzungsphänomen handelt. Es ist vielmehr eine weit verbreitete Form der jugendlichen Mediennutzung, heißt es seitens der Kommunikationswissenschaftler. Und: Die Erstkontakte mit pornografischen Inhalten finden im heutigen Online-Zeitalter schon sehr früh statt. Für die Studie, so gaben es die Kommunikationswissenschaftler an, wurden insgesamt 1048 Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren befragt. Sie erscheint dieser Tage in einer Publikation des Springer-Verlags (DOI 10.1007/978-3-658-18859-7_5).

Erstkontakt findet meist zu Hause statt

„Neben ihren Nutzungsgewohnheiten im Internet wollten wir auch die genauen Umstände der ersten Online-Erfahrungen mit sexualisierten Inhalten erforschen“, erklärt Jens Vogelgesang, Leiter des Fachgebiets Kommunikationswissenschaft, insbesondere Medien- und Nutzungsforschung, an der Universität Hohenheim. Dabei kam heraus, dass die meisten Jugendlichen vor allem zu Hause beim Surfen auf Internetseiten mit pornografischen Filmen und Bilder stoßen. In 40 Prozent der Fälle sind die Jugendlichen dabei nicht allein, sondern sie tun dies mit Freunden. Im Alter zwischen 14 und 15 Jahren gilt dies sogar in 60 Prozent der Fälle.

Die meisten sprechen danach nicht mit Erwachsenen über das Gesehene

Ob gewollt oder ungewollt ist eine Frage des Geschlechts: Die meisten Mädchen (60 Prozent) unter den Befragten gaben an, dass sie solche Filme gar nicht sehen wollten. „Bei den Jungen waren es nur 37 Prozent“, so Vogelgesang. Zu ungewollten Kontakten zählten die Forscher das Gezeigt-Bekommen von Pornografie durch Dritte oder das zufällige Antreffen dieser Inhalte im Netz.

Dass die meisten Jugendlichen danach mit keinem Erwachsenen – sei es Lehrer oder Eltern – über das Gesehene sprechen wollen, ist nachvollziehbar, aber für die Forscher durchaus problematisch: „Kinder und Jugendliche müssen mit der Verarbeitung dieser Inhalte allein und ohne elterliche oder schulische Einflussnahme zurechtkommen“, sagt Thorsten Quandt vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster.

Das Reden über die eigene Sexualität ist immer noch ein Tabuthema

Allerdings setze die Gesprächsbereitschaft voraus, dass die Inhalte relativ ungerührt angesehen wurden. „Waren die Jugendlichen durch die Inhalte erregt, war die Redebereitschaft deutlich geringer, als wenn sie die Inhalte belustigend oder abstoßend empfanden“, sagt Vogelgesang. Trotz der gestiegenen Offenheit in der Gesellschaft und vieler Aufklärungskampagnen gelte weiterhin: „Das Reden über die eigene Sexualität ist unter vielen Jugendlichen noch immer ein Tabuthema, mit dem sie entweder weitgehend allein gelassen werden oder das sie mit ihren Freunden erkunden.“ Die Experten möchten in diesem Bereich weiterforschen und weitere Ergebnisse veröffentlichen.