Laut Studie seien Erwerbspersonen mit zuvor niedrigen Einkommen im bisherigen Verlauf der Pandemie fast doppelt so häufig von Einbußen betroffen wie Besserverdiener.

Berlin - Die Corona-Krise führt einer Studie zufolge zu wachsender Ungleichheit zwischen Arm und Reich in Deutschland. Erwerbspersonen mit schon vorher niedrigen Einkommen seien im bisherigen Verlauf der Pandemie fast doppelt so häufig von Einbußen betroffen wie Besserverdiener, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Verteilungsbericht des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI). „Das ist besorgniserregend, weil es destabilisierend auf die Gesellschaft als Ganzes wirken kann“, sagte WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Betroffenen drohe Armut und existenzielle Gefahr. Wer in der Krise weniger Geld verdiene, sei zudem eher bereit, Verschwörungsmythen zu glauben.

 

Konkret haben im Durchschnitt aller 6000 Befragten bis Juni knapp 32 Prozent Einkommenseinbußen hinnehmen müssen - neben Selbstständigen vor allem prekär Beschäftigte wie Leiharbeiter und Minijobber sowie Menschen mit Migrationshintergrund und mit Kindern. In den beiden Gruppen mit niedrigen Haushaltseinkommen unter 1500 Euro netto monatlich lag der Anteil jeweils deutlich über 40 Prozent. Auch in der untersten der mittleren Einkommensgruppen, die zuvor 1500 bis 2000 Euro netto hatten, waren mit knapp 37 Prozent überdurchschnittlich mit einem Minus konfrontiert. Von den Befragten mit hohen Nettoeinkommen von mehr als 4500 Euro berichteten dagegen lediglich rund 26 Prozent von Einbußen.

Höhe der Ausfälle hängt mit dem Einkommen zusammen

Auch bei der Höhe der Ausfälle zeigt sich ein Zusammenhang mit dem Einkommen. In Haushalten mit mehr als 2600 Euro Monatsnetto beklagten rund 30 Prozent Einbußen von mehr als einem Viertel. Dagegen büßten in der Gruppe mit maximal 2000 Euro netto knapp 50 Prozent mindestens ein Viertel ein. Als wichtige Gründe für spürbare Einkommensverluste nannte das WSI neben dem Verlust von Umsätzen bei Selbstständigen oder dem Verlust des Arbeitsplatzes die Kurzarbeit. Diese sichere in der Krise zwar zahlreiche Jobs, könne aber für betroffene Beschäftigte empfindliche Einbußen bedeuten.

Um einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich gegenzusteuern, empfiehlt das WSI eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes - insbesondere für Beschäftigte mit geringem Einkommen. Auch sollte die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I während der Krise verlängert werden. Längerfristig sei eine Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns auf 60 Prozent des mittleren Lohns von Vollzeitbeschäftigten ratsam, außerdem eine Stärkung der Tarifbindung. Auch sollten etwa sehr hohe Erbschaften stärker besteuert werden, um eine weitere Konzentration von Vermögen zu begrenzen.