Der öffentliche Dienst bietet speziell jüngeren Beschäftigten seltener eine sichere Berufsperspektive als die Privatwirtschaft, weil er öfter auf befristete Anstellungen setzt – besonders die Wissenschaft. Dies stellen Arbeitsmarktforscher in einer großen Studie fest.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Das Klischee, wonach der öffentliche Dienst ein Hort sicherer Arbeitsplätze und damit ein besserer Arbeitgeber als die Privatwirtschaft sei, ist endgültig widerlegt, denn befristete Arbeitsverträge und unsichere Perspektiven spielen bei öffentlichen Arbeitgebern eine größere Rolle als in der Privatwirtschaft. Wohl nie zuvor wurde dies so gründlich erhoben wie jetzt vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), einem Ableger der Bundesagentur für Arbeit. Demnach sind mehr als 15 Prozent der Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst – inklusive der Wissenschaft – nur befristet. Gerade jüngere Arbeitnehmer unter 35 Jahren müssen mit unsicheren Perspektiven leben – dort ist der Befristungsanteil nach den Erkenntnissen des IAB mehr als doppelt so hoch wie in den übrigen Altersgruppen.

 

In der Wissenschaft bis zu 90 Prozent der Jobs befristet

In den Kommunen liegen die Befristungsquoten bei 8,2 Prozent, im Bund bei 11,3 Prozent und in den Ländern bei 12,3 Prozent. Ohne Wissenschaft liegt der Befristungsanteil knapp unterhalb zehn Prozent. Das zeigt auch, wie dominant derlei Verträge in der Wissenschaft sind: Dort ist der Anteil von 2004 bis 2014 von 25,7 auf 37 Prozent gestiegen. Gut 35 Prozent aller befristet Beschäftigten im öffentlichen Dienst arbeiten in wissenschaftlichen Einrichtungen, während insgesamt nur 8,5 Prozent aller öffentlich Beschäftigten im Wissenschaftsbereich tätig sind. Wenn man nur die wissenschaftlichen Mitarbeiter unterhalb der Professorenebene nimmt, lag der Befristungsanteil schon 2010 bei 90 Prozent.

Um dem wissenschaftlichen Nachwuchs verlässliche Karrieren zu ermöglichen, hat die Bundesregierung schon im September beschlossen, dass die sachgrundlose Befristung künftig zur Dauer der Qualifikation wie einer Promotion passen muss. Bei einer Befristung wegen Drittmittelfinanzierung soll sie der Dauer der Mittelbewilligung entsprechen. Zudem soll die sachgrundlose Befristung nur zulässig sein, wenn die Beschäftigung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung dient. Verhindert werden soll auch, dass befristet Beschäftigte, die keine wissenschaftliche Qualifikation anstreben, dauerhaft die Aufgaben erledigen.

Beamtenbund hält den Zustand für einen „Skandal“

Ungeachtet dieses Gesetzentwurfs hält es der Beamtenbund für einen Skandal, dass vor allem jüngere Arbeitnehmer mehr als doppelt so häufig befristet beschäftigt werden. „Da braucht sich niemand über den immer größeren Nachwuchs- und Fachkräftemangel zu wundern“, tadelt der DBB-Vize Willi Russ. Die Gewerkschaften wollen die unbefristete Übernahme aller Auszubildenden bei der Einkommensrunde 2016 mit Bund und Kommunen wieder thematisieren. Befristung schade mehr, als sie nütze – sie binde Ressourcen der Stammbelegschaft, weil die Kollegen erst eingearbeitet werden müssten – und nach zwei Jahren komme schon die nächste neue Kraft. Wissenstransfer und Motivation blieben dabei auf der Strecke, meint Russ.

Ihren Ursprung hat die Studie im Jahr 2014, als die Arbeitgeber und Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes im Zuge der Tarifrunde das IAB mit der Erhebung beauftragten. Zum Jahresschluss haben die Forscher nun ihre Resultate vorgelegt. Befristete Beschäftigung, erläutern sie, sei im öffentlichen Sektor gängig, weil temporäre Ausfälle damit kompensiert oder Personalressourcen nur befristet zugewiesen würden. Diese Praxis werde immer öfter als Notlösung für fehlende Stellen im Haushaltsplan eingesetzt, kritisiert DBB-Vize Russ. Abhilfe schaffen ließe sich mit einer ausreichenden Finanzierung von Planstellen und mehr Flexibilität durch unbefristete Vertretungsstellen, rät das IAB.