Die Jobs an der Spitze von Städten und Gemeinden sind nicht nur vergnügungssteuerpflichtig. Die Zahl der Bewerber ist deshalb oft überschaubar.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Die Zahl der Bewerber ist in der Regel überschaubar. Und die Bürgermeister bleiben, einmal im Amt, für immer kürzere Zeit auf ihrem Posten. So lassen sich, zugespitzt, zwei von mehreren Ergebnissen einer neuen Studie zu den Schulteswahlen in Baden-Württemberg zusammenfassen, die bestehende Erkenntnisse bestätigt, aber auch etliche überraschende Entwicklungen bei den Wahlen der Ortsoberhäupter aufzeigt. Seit 2010 kamen beispielsweise nur in sieben Prozent aller Fälle Frauen an die Rathausspitze – Tendenz jedoch steigend. „Bürgermeisterinnen sind im Kommen“, schlussfolgert deshalb der Autor der Expertise, Thomas Schwarz, der Chef des Statistischen Amtes der Stadt Stuttgart und zugleich einer der profiliertesten Kommunalwahlexperten im Land ist.

 

Immer wieder rücken Oberbürger- und Bürgermeisterwahlen in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit – etwa wenn in Stuttgart plötzlich ein grüner Regent an der Spitze steht oder es, wie jetzt in Neckarsulm, lokale Aufwallungen gibt. In der Audi- und Lidl-Stadt hat der Amtsinhaber Joachim Scholz am Wochenende mit Steffen Hertwig einen ernsthaften Herausforderer. Und auch vor den Toren der Landeshauptstadt, in Fellbach, wird es am Sonntag spannend: Die Göppinger Bürgermeisterin Gabriele Zull und der Referatsleiter Carsten Hansen aus Berlin gelten unter fünf Kandidaten als aussichtsreichste Anwärter auf die Nachfolge des Oberbürgermeisters Christoph Palm. In Schwetzingen hingegen geht der Amtsinhaber René Pöltl, der von fast allen Gruppierungen im Rat unterstützt wird, als Favorit ins Rennen.

Rund 900 Bürgermeisterwahlen erfasst

Wissenschaftlich betrachtet sind Bürgermeisterwahlen freilich ein eher wenig erforschtes Feld. Wie steht es um die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber? Welche Rolle spielt das Parteibuch? Welche Resonanz haben solche Urnengänge bei den Bürgern? Thomas Schwarz ist es zu verdanken, dass das Dunkelfeld nun deutlich erhellt ist. In einer auf Veröffentlichungen des „Staatsanzeigers Baden-Württemberg“ basierenden Untersuchung hat er alle zwischen 2010 und 2015 durchgeführten Bürgermeisterwahlen im Land ausgewertet, insgesamt fast 900 an der Zahl.

Die Befunde, als Aufsatz veröffentlicht im aktuellen „Statistischen Monatsheft“ der Landeshauptstadt, sind bisweilen erstaunlich. Denn immerhin, so eine Quintessenz, werden bei 40 Prozent aller Wahlen die Bürgermeister erstmals und dann – wie gesetzlich vorgeschrieben auf acht Jahre – ins Amt gewählt. Eine zweite Periode ist immerhin noch 37 Prozent der Rathauschefs vergönnt; eine dritte Amtszeit aber nurmehr 16 Prozent. Und dass ein Schultes noch länger auf seinem Sessel bleibt, kommt, anders als früher, allenfalls in Ausnahmefällen vor.

Nur selten wird ein Amtsinhaber geschasst

Wahr ist aber auch: Abgewählt wird ein amtierender Schultes, der sich der Wiederwahl stellt, nur selten – nämlich in gerade mal fünf Prozent der Fälle. Eher schon verzichtet ein Bürgermeister aus freien Stücken darauf, erneut anzutreten – etwa so wie Fellbachs OB Palm, der sich nach 16 Jahren für einen Wechsel in die Privatwirtschaft entschieden hat.

Es ist eine echte Fleißarbeit, der Thomas Schwarz sich unterzogen hat, gespickt mit interessanten Details. In aller Regel wurden Bürgermeisterwahlen im Untersuchungszeitraum gleich im ersten Wahlgang entschieden, indem ein Bewerber die absolute Mehrheit erreichte. Eine Neuwahl vierzehn Tage später war nur in elf Prozent aller Fälle notwendig. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die Zahl der Kandidaten zuletzt eher zurückgegangen ist. In den Jahren 2010 bis 2015 standen im Durchschnitt gerade mal zwei, drei Namen auf den Stimmzetteln. Schließlich ist Wahlkampf sehr teuer und zeitintensiv.

Potenzielle Bewerber schauen genau hin

Relevant für den Bewerberandrang ist die Ausgangslage. Tritt der Amtsinhaber wieder an, schreckt das Interessenten ab. Ist der Posten aber ganz neu zu vergeben, wächst die Nachfrage, so dass dann im Schnitt fast vier Bewerber registriert werden. Und eines gilt überdies: Je größer die Kommune, desto attraktiver ist der Rathausthron. Dass aber bei einem Urnengang gleich 14 Kandidaten den Finger strecken wie 2012 bei der Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart – dieses Phänomen fällt aus der Reihe, wie Schwarz konstatiert.

Bemerkenswert ist auch, dass die Mehrheit der baden-württembergischen Bürgermeister (58 Prozent) zum Zeitpunkt ihrer Wahl keiner Partei oder Freien Wählervereinigung angehört haben. Dies entspricht durchaus dem Bild des von parteipolitischen Befindlichkeiten unabhängigen Gemeindevorstehers. Allerdings spielt die Parteienfrage speziell in kleineren Kommunen eine untergeordnete Rolle – anders als in den größeren Städten. Unter den parteigebundenen Bürgermeistern wiederum sind jene mit CDU-Attribut deutlich in der Überzahl (73 Prozent), während SPD (15 Prozent), Freie Wählervereinigungen (7 Prozent), FDP (drei Prozent) und Grüne (zwei Prozent) eine deutlich nachrangige Rolle spielen. Jedoch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sozialdemokrat an die Stadtspitze aufsteigt mit der Größe der Kommune. Fast jeder zweite Oberbürgermeister in Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern (46 Prozent) fährt mit dem Ticket der SPD.

Übrigens genießen die Oberbürgermeister (in Stadtkreisen und Großen Kreisstädten) und Bürgermeister (in den übrigen Gemeinden) in der Regel einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung: durchschnittlich ergattern sie bei einer Wahlbeteiligung von plus/minus 50 Prozent 78 Prozent der Stimmen. Was dann ja fast schon sozialistische Verhältnisse sind.