Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Tageszeitungen genießen trotz massiver Kritik aus der rechtspopulistischen Ecke noch ein stabiles Vertrauen in der Bevölkerung. Dennoch gibt es Alarmsignale, wie eine Studie der Otto Brenner Stiftung zeigt.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Ja, was denn nun? Einerseits sehen Teile der Gesellschaft die klassischen Medien in der Glaubwürdigkeitsfalle. „Lügenpresse“ ist der Schlachtruf enthemmter Kritiker, die vermeintlich abgehobenen Journalisten vorwerfen, das politische Establishment willfährig zu unterstützen und selbst Teil der sogenannten Eliten zu sein. Andererseits halten Politiker von CSU und SPD, die bei der Bundestagswahl wenig erfolgreich waren, den gleichen Medien und speziell den öffentlich-rechtlichen Sendern vor, die AfD durch permanente Berichterstattung erst stark gemacht zu haben. Klar ist nur: die Medien polarisieren wie nie zuvor, der respektlose Ton der Straße erreicht die Redaktionen.

 

Misstrauen gegenüber Netzinhalten

Die Otto Brenner Stiftung, ein Forschungsableger der IG Metall, hat das Medienverhalten wissenschaftlich untersuchen lassen – unter anderem mit einer Befragung von 2420 Probanden. Demnach hängt die Wahrnehmung grundlegend davon ab, welche Medien genutzt werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk werde fast durchgängig als glaubwürdig eingeschätzt – nur Personen, die sich ausschließlich über Tageszeitungen informieren, schätzten deren Glaubwürdigkeit noch höher ein als die von ARD und ZDF, stellt der Leipziger Demokratieforscher Oliver Decker fest. Das Misstrauen gegenüber Berichten im Internet ist generell hoch. Selbst Nutzer, die ihre Informationen ausschließlich über Social-Media-Kanäle beziehen, halten die Glaubwürdigkeit der Inhalte für verhältnismäßig niedrig. Nur etwas mehr als ein Drittel von ihnen glaubt, was sie dort lesen. Erstaunlich, dass das Netz dennoch von jedem achten Befragten ausschließlich für die politische Information genutzt wird.

Die Boulevardpresse kommt schlecht weg

Differenzieren lässt sich nach alten und neuen Ländern: Im Westen halten zehn Prozent mehr Befragte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und 13 Prozent mehr die Tageszeitungen für glaubwürdig als im Osten. Nicht ganz so groß ist die Diskrepanz beim privaten Rundfunk. Allerdings bewertet in Ostdeutschland ein Viertel der Befragten das Internet als glaubwürdig – im Westen ist es nicht einmal jeder Fünfte. Am weitaus schlechtesten kommt hüben wie drüben die Boulevardpresse weg. Differenzieren lässt sich auch nach sozialen Milieus. Arbeitslose schenken den klassischen Medien weniger Glauben als Berufstätige. AfD-Wähler sind erwartbar um ein Vielfaches kritischer als Anhänger von Union, SPD und Linkspartei. Am wenigsten Misstrauen hegen demnach die Wähler der Grünen gegenüber den Medien.

Wer Medien glaubt, ist auch mit der Demokratie zufrieden

Insgesamt sehen die Forscher einen stabilen Vertrauensvorschuss für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Tageszeitungen. Doch gibt es eine Wechselwirkung: 90 Prozent der Bürger, die den Medien grundsätzlich Glaubwürdigkeit zugestehen, sind auch mit der Idee der Demokratie zufrieden – lediglich 18 Prozent der medienkritischen Menschen wiederum sind dies auch. Daher sieht Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, „keinen Anlass zur Entwarnung“. Das Vertrauen in Parteien, Parlament, Regierung und Justiz sei eng an das Medienvertrauen gekoppelt. Entsprechend verschärften sich beide Konfliktfelder nun gegenseitig.

Dem „Korrektiv der Politik auf die Finger schauen“

Wer sich meist im Internet informiere, den dortigen Nachrichten aber kaum glaube, fühle sich von der Gesellschaft nicht mehr repräsentiert, resümiert Oliver Decker. „Den Medien muss als Korrektiv der politischen Repräsentanten selbst auf die Finger geschaut werden“, fordert er. Am vielfältigsten sei die Medienlandschaft in den sechziger und siebziger Jahren gewesen – da hätte die Politisierung den kritischen Blick vieler geschärft. Heute hätten jene Demonstranten, die Medienvertreter als „Lügenpresse“ beschimpfen, „offensichtlich keinen Begriff, wie sehr ihr Denken bereits antidemokratisch ist“.