Der Unterricht in Baden-Württemberg soll besser werden. Doch die Fortbildungen machen Lehrer nicht wirklich fit für die neuen Anforderungen. Das zeigt eine Studie, die zum ersten Mal die Angebote vollständig unter die Lupe nimmt.

Stuttgart - Auf den Lehrer kommt es an. Das ist die Quintessenz vieler Strategien, die baden-württembergischen Schüler wieder besser zu machen. Deshalb sollen auch die Lehrer besser werden. Doch bei der Lehrerfortbildung liegt einiges im Argen. Zum ersten Mal überhaupt wurden jetzt alle staatlichen Fortbildungsangebote eines ganzen Jahres analysiert. Die Studie hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bei der Universität Tübingen in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist ernüchternd.

 

Viele Institutionen seien beteiligt, die Kommunikation unter den zahlreichen Akteuren nennen die Forscher um den Tübinger Professor Colin Cramer „diffus“. Systematische Qualitätssicherung gibt es nicht. Und dass die Ergebnisse der Fortbildung überhaupt in den Schulalltag einfließen, sei nicht gesagt.

10 588 Fortbildungen wurden von August 2016 und Juli 2017 angeboten. Entscheidende Felder wie die Diagnosefähigkeit der Lehrer rangieren mit 147 Angeboten auf dem drittletzten Platz der Themen. Elternarbeit steht mit 166 Kursen nicht viel besser da. Die meisten Angebote (4017) widmen sich Methodik und Didaktik oder Fragen des Lehrplans (2020). Die Inklusion, der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern, bringt es auf 491 Angebote. Der Bedarf an Fortbildungen wird den Forschern zufolge nicht systematisch erhoben. „Sehr informell“ nennen sie die Bedarfserhebung. Es sei „ungeklärt, wie der Bedarf der Lehrer vor Ort ist“.

Selbst die GEW-Landeschefin Doro Moritz zeigte sich überrascht, wie ungleich die Fortbildungen über das Land verteilt sind. Bezogen auf die Anzahl der Lehrer in der Region liegen Karlsruhe, der Alb-Donau-Kreis und Biberach ganz vorne in der Angebotsdichte, Konstanz dagegen weist die wenigsten Fortbildungen auf. Erklärungen dafür haben weder die Forscher noch die GEW.

Bedarf nicht systematisch ermittelt

Grundschulen und Gemeinschaftsschulen stehen unter starker Beobachtung und zum Teil auch strenger Kritik. Doch Fortbildungen zu einzelnen Schularten machen nur ein Drittel des Angebots aus. Die meisten schulartspezifischen Fortbildungen widmen sich beruflichen Schulen. Dann folgen jedoch die Grundschulen deutlich vor Gymnasien oder Realschulen.

Auch die Dauer der Fortbildungen erscheint problematisch. 4300 der rund 10 600 Angebote waren nur auf einen halben Tag angelegt. Insgesamt 72 Prozent der Angebote dauerten höchstens einen Tag. Das gilt in der Forschung als wenig nachhaltig. Wirkungsvoller wären längere auch aufeinander aufbauende Fortbildungen. Mehr als 3000 angebotene Kurse kamen gar nicht zustande.

Ein Grund sei, dass die Nachfrage zu gering war. Kurse wie „gezielte Förderung von Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben“ an der Grundschule sind nach Angaben der GEW dagegen so gefragt, dass längst nicht alle Interessenten zum Zuge kommen. Auf 21 Plätze kamen bei diesem Kurs im Herbst 2018 beispielsweise 63 Interessenten.

Teilnehmer zufrieden

Kritisch wird auch gesehen, dass meist nur ein Lehrer aus einem Kollegium an einer Fortbildung teilnehmen kann. Die Forscher vermissen zudem „Standards für die Gewinnung, Auswahl und Qualifikation der Fortbildenden“. Dennoch zeigen sich 89 Prozent der 865 Befragten mit ihrer Fortbildung zufrieden.

Die GEW-Chefin Doro Moritz würde dem gegenwärtigen Konzept der Fortbildung im Land dennoch „höchstens eine Vier“ erteilen, wenn sie eine Schulnote vergeben müsste. Doch will sie das keinesfalls als Kritik an den Fortbildnern verstanden wissen. Die Studie zeige, „dass die Qualifizierung von Fortbildnern, Angebote in allen Regionen, nachhaltige Fortbildungen und die Frage, ob mehr Mitglieder eines Kollegiums teilnehmen können, die entscheidenden Weichenstellungen für Qualitätsverbesserungen sind“, sagte Moritz unserer Zeitung. „Dazu gibt es noch keinerlei positive Ansätze im Qualitätskonzept“, kritisiert die GEW-Chefin.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sieht in ihrem Qualitätskonzept die Einrichtung von zwei neuen Instituten vor. In einem neuen „Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung“ sollen die Aus- und Fortbildung der Lehrer zentral gesteuert werden. Moritz zeigt sich skeptisch: „Wenn Konzepte künftig zentral entwickelt werden, können sie zu wenig auf die Bedingungen vor Ort reagieren.“ Sie erwartet, „dass das Gesetz nicht verabschiedet wird, ohne dass sichtbar ist, was es an Ressourcen braucht, um die Fortbildung anders aufzustellen.“

Kompetentes Personal ist das Ziel

Der Tübinger Erziehungswissenschaftler Colin Cramer, der die Studie leitete, will keine Empfehlungen geben. „Die Studie stellt keine Evaluation des Fortbildungssystems dar“, erklärte er. Doch könnten auf dieser Grundlage die politischen Akteure Forderungen und Maßnahmen formulieren. Mit Blick auf die geplante Strukturreform sagte er jedoch auf Anfrage: „Veränderte Strukturen alleine bedeuten keine Qualitätssteigerung. Sie müssen dazu beitragen, dass ein bedarfsorientiertes, längerfristiges Angebot von kompetentem Personal möglich ist und die Erträge aus den Fortbildungen mit in die Schul- und Unterrichtsentwicklung einfließen.“