Eva Strobel hat fest damit gerechnet, es in den Kreißsaal der Frauenklinik Stuttgart zu schaffen, doch ihre Tochter war schneller. Nach der Geburt gab es Applaus. Jetzt sucht die Mutter nach einer Helferin.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Sina nuckelt am Finger ihrer Mutter, die Augen geschlossen. Dass sie vor sechs Wochen für große Aufregung gesorgt hat, ist ganz weit weg. Doch Sinas Geburt am 7. Mai dürfte nicht nur ihren Eltern unvergesslich sein, sondern vielen Menschen. Statt wie geplant im Hebammenkreißsaal der Frauenklinik ist sie im Hof zwischen Sana-Klinik, Katharinen- und Olgahospital auf die Welt gekommen. Einige haben es gesehen – und viele gehört.

 

Sie hätte nie gedacht, dass ihr eine Sturzgeburt passiert, sagt Eva Strobel. „Die schnelle Sina“, wie sie ihre Tochter liebevoll nennt, ist ihr zweites Kind. Die Erstgeborene Jasmin habe sich vor zwei Jahren extrem viel Zeit gelassen. Bei Jasmin hatten die Wehen an einem Dienstag begonnen, vier Tage später war sie abends da. Mehrmals sei sie damals wehengeplagt in die Klinik gefahren und immer wieder fortgeschickt worden, weil der Muttermund noch nicht weit genug geöffnet war. „Ich wollte das nicht noch mal erleben, sondern diesmal cooler sein“, sagt die 33-Jährige. Also ging sie es diesmal entspannt an . . .

Im Auto setzen die Presswehen ein

Am Nachmittag des 7. Mai sei sie routinemäßig bei der Frauenärztin gewesen. In der Nacht hatte sie erste Wehen gespürt. Die Ärztin sagte, wegen einer Schwangerschaftsvergiftung müsse das Baby geholt werden. Sie könnten aber vorher in Ruhe zu Hause etwas essen. Also fuhren sie zurück in ihre Wohnung nach Fellbach, packten die Tasche. Immer wieder kamen Wehen, aber Eva Strobel war sich sicher, noch viel Zeit zu haben. Eigentlich wollten sie noch Jasmin bei ihrer Schwester in Stuttgart abliefern. Doch dann setzten im Auto plötzlich die Presswehen ein. Bei der ersten Wehe habe ihre Tochter gelacht, aber dann nicht mehr. In nur 20 Minuten hat es ihr Mann aus Fellbach zur Frauenklinik geschafft. In der Hektik verpassten sie die Einfahrt zur Notaufnahme und versuchten vom Herdweg aus aufs Gelände zu fahren. Doch an einer Schranke war Schluss.

Ihr Mann sei in die Sana-Herz-Klink gesprintet und habe „Wir brauchen ein Bett!“ geschrien. Dann lief er mit Jasmin auf den Schultern zur Frauenklinik. Aufgeregt fragte er am Empfang nach einem Rollstuhl für seine Frau, das Baby komme! Man solle den Hebammen Bescheid sagen! „Der Pförtner hatte das aber so verstanden, als ob gleich jemand hochkomme“, erzählt Eva Strobel. Während die Hebammen also drinnen den Kreißsaal richteten, ging es draußen zur Sache. „Ich war unglaublich laut, ich habe den ganzen Komplex beschallt“, erinnert sich Eva Strobel. Ihr Glück war, dass auch die patente Krankenschwester Rebecca Grau sie hörte, die auf dem Weg zur Schicht in der Sana-Klinik war. Sie verteilte an Umstehende Aufträge: Kinderarzt organisieren! Klemmen und Schere holen! Irgendjemand legte eine Wickelunterlage bereit.

Der Papa fängt das Baby auf

Als ihr Mann mit dem Rollstuhl heranstürzte, spürte Eva Strobel schon das Köpfchen zwischen den Beinen. „Du musst die Hose ausziehen“, rief er seiner Frau zu. Sie hockte sich hin, mit der nächsten Wehe kam das Baby raus. Ihr Mann stand genau richtig. Er fing Sina auf. Dann hörten alle im Hof das Neugeborene weinen.

Als die Hebammen aus der Frauenklinik mit dem Bett anrückten, war die Nabelschnur bereits durchgeschnitten. Eine Helferin hatte ihren Schal um das Baby gelegt, eine andere ihre Jacke. Eva Strobel legte sich aufs Bett und Sina auf ihren Bauch. Als sie in die Frauenklinik geschoben wurde, klatschten die Leute vor dem Olgäle-Café. Und auch später wurde das Ehepaar immer wieder angesprochen.

Überstürzte Geburten sind sehr selten

Überstürzte Geburten sind sehr selten. Laut dem Chefarzt der Frauenklinik, Ulrich Karck, kommt es bei ihnen im Schnitt höchstens einmal im Jahr vor, dass eine Mutter ihr Baby vor dem Erreichen des Kreißsaals bekommt – bei insgesamt rund 3000 Geburten im Jahr.

Eva Strobel sagt, Sinas Geburt sei „entspannter“ gewesen als ihre erste. Dennoch hat sie Tage gebraucht, um zu realisieren, was passiert ist. Und sie hat das Bedürfnis, Danke zu sagen. Mit der Krankenschwester Rebecca Grau hat sie sich schon getroffen. Auch die Helferin, die ihren Schal gegeben hat, hat sie ausfindig gemacht. Jetzt ist sie auf der Suche nach der Frau, die Sina ihre Jacke umgelegt hat. Auch bei ihr will sie sich bedanken (Kontakt per E-Mail an v.volland@stz. zgs.de).