Die Deutsche Bahn braucht für Stuttgart 21 dringend einen neuen Abstellbahnhof. Dem sind in Untertürkheim streng geschützte Mauereidechsen im Weg. Doch es gibt eine Lösung.

Stuttgart - Die Bahn braucht bei ihrem Projekt Stuttgart 21 auch einen neuen Abstellbahnhof. Die Pläne dafür sind umstritten. Im Blickpunkt stehen vor allem der Naturschutz, speziell die Mauereidechsen, und der Lärmschutz. Am Mittwoch startete die Erörterung der Einwendungen in Untertürkheim.

 

Wozu ein neuer Abstellbahnhof?

Bei Stuttgart 21 gibt die Bahn große Flächen in der City auf. Die Stadt hat sie gekauft und will darauf Wohnungen bauen. Da der Abstellbahnhof im Rosensteinpark entfällt, muss Ersatz her. Die Planung sei ein Fehler, sagt Roland Morlock vom Deutschen Bahnkunden-Verband. Wer mehr Schienenverkehr wolle, brauche Infrastruktur. Der „Ausverkauf durch die Hintertür“ müsse auch wegen der Klimaziele beendet werden.

Welche Fläche gerät in den Blick?

Die Bahn will ihre Anlage in Untertürkheim beleben. Der alte Güterbahnhof liegt brach. Er soll komplett umgebaut werden. Von hier aus können dann Züge im Ringverkehr in zwei Richtungen von und zum Tiefbahnhof fahren und gereinigt werden.

Welche Probleme gibt es dabei?

Das alte Gleisareal muss für 23 Abstellgleise abgeräumt, ein Höhenunterschied von 2,60 Metern ausgeglichen werden. 204 000 Kubikmeter Aushub werden entsorgt. Damit fällt Lebensraum für hochgerechnet 4350 streng geschützte Mauereidechsen und Wildbienen weg.

Was geschieht mit den Eidechsen?

Die genetisch speziellen Stuttgarter Mauereidechsen sollen alle von den jetzt 10,1 auf 4,7 Hektar Bahnflächen ausschließlich in Stuttgart umgesiedelt werden. Das ist zu wenig für ein Überleben aller Tiere. Die Bahn beantragt deshalb eine Ausnahmegenehmigung vom Naturschutzgesetz. In seiner Stellungnahme, die unserer Zeitung vorliegt, akzeptiert das Regierungspräsidium das Vorgehen. Die Population an Mauereidechsen sei in Stuttgart hoch, und sie verdränge Zauneidechsen. Die DB will außerdem über eine Rechnung mit Ökopunkten als Ökoausgleich eine Waldfläche bei Schwäbisch Hall aufwerten.

Wer entscheidet letztlich?

Das RP spricht eine Empfehlung aus. Die Behörde glaubt, „dass das vor Gericht hält“. Es gebe in Stuttgart 140 000 Mauereidechsen, ein vorübergehender Bestandsrückgang durch den Bau könne nicht ausgeschlossen werden, man könne nicht beurteilen, wie viele Tiere „aufgrund der innerartlichen Konkurrenz verenden“. Eine Beeinträchtigung der lokalen Population sei aber wegen der hohen Zahl „ohnehin nicht anzunehmen“. Entscheiden wird das Eisenbahn-Bundesamt (Eba).

Wie reagieren die Naturschützer?

Wolf-Dietrich Paul vom BUND Stuttgart zeigt sich empört: „Sie hatten zehn Jahre Zeit, Flächen zu suchen“, sagte er in Richtung Bahn. „Den Frust nehme ich Ihnen ab“, so Versammlungsleiterin Gertrud Bühler vom RP. Hans-Peter Kleemann von Naturschutzbund kündigte eine Klage an. Für das Vorgehen gebe es „überhaupt keine Grundlage, das sehen Anwälte auch so“. Eine Klage könnte den Bau verzögern.

Gibt es weitere Kritik?

Hans-Jörg Jäckel, Vertreter einer privaten Eisenbahngesellschaft, wirft die Frage auf, ob der Abstellbahnhof mit Blick auf die politisch und von der Bahn gewollte Verdoppelung des Schienenverkehrs richtig dimensioniert sei. Das soll am Donnerstag besprochen werden, genauso die Kritik von Ulrich Ebert vom Landesnaturschutzverband zum Rettungskonzept für Reisende. Zum Abstellbahnhof gab es laut RP 370 Einwendungen, davon seien 220 Mustereinwendungen gewesen.

Wie steht es mit dem Lärmschutz?

Das Gutachterbüro Krebs und Kiefer/Fritz AG hat berechnet, dass Schutzwände entlang der Anlage zur Untertürkheimer Wohnbebauung hin nicht möglich sind, selbst mit 15 Meter Höhe wären nur 39 von 56 vom Lärm betroffenen Wohnungen geholfen. Daher soll es Schallschutzfenster für Häuser in der Lindenfels-, Mäulen-, Schlotterbeck-, Silvretta-, Dietbach- und Stubaier Straße geben. Auf dem Gelände werde es „keine kurzfristigen Lärmspitzen“ geben, so der Gutachter Matthias John-Tschoeppe. Roland Morlock widerspricht: Eine Brems- und Warntonprobe gehöre vor dem Einsatz der Züge zwingend zur Vorbereitung. Akustische Signale seien „nicht zwingend nötig“, sagt Florian Bitzer von der Bahn AG

Was geschieht im Betrieb?

Die Anwohner, für die Michael Brunnquell sprach, befürchten nerviges Gepiepse nicht nur bei der frühmorgendlichen Inbetriebnahme der Züge, sondern auch, wenn diese nachts in die Waschhalle auf dem Gelände gezogen werden. Die soll zwar an einem Ende im Betrieb geschlossen und am anderen Ende mittels Lärmschutzwand abgeschirmt werden, bei den Anwohnern bleiben aber Zweifel. Sie halten das gesamte Schallgutachten für falsch. Peter Schütz, Anwalt im Auftrag der Bahn, konterte: „Wir haben das richtig gemacht.“ Auch bei der Differenzberechnung zur bisherigen Nutzung – betrachtet wird das Jahr 2030 – habe man zum Vergleich keine Nutzung als voll betriebener Güterbahnhof angesetzt.

Wie geht es weiter?

Die Erörterung der Einsprüche wird an diesem Donnerstag von 9 Uhr an in der Sängerhalle, Lindenschulstraße 29, fortgesetzt – auch mit einem Vertreter des Verkehrsministeriums.