Für den S-21-Sprecher ist klar: der Bahnhofsturm steht auf Pfählen aus Eisenbeton. Dass OB Fritz Kuhn die Sachlage von der Bahn geklärt haben will, kommentiert er so: „Kuhn kennt die Hintergründe nicht.“

Stuttgart - Angereichert mit scharfer Kritik an Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hat der S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich am Mittwoch erklärt, dass die Bahn von ihrer Einschätzung bezüglich der Gründung des Bahnhofsturm nicht abrückt. Laut den Gutachten stehe das Stuttgarter Wahrzeichen auf Eisenbeton- und nicht auf Eichenpfählen. „Wir vertrauen diesen Dokumenten mehr als irgendwelchen Aussagen“, sagte Dietrich. Zugleich lehnte er Sondierungsbohrungen zur Klärung der Frage ab, da „es für unsere Ingenieure keine entscheidende Rolle spielt, worauf der Turm steht“. Während der Bauarbeiten werde die Standfestigkeit ohnehin ständig überwacht, sagte Dietrich.

 

Der S-21-Projektsprecher verband diese Einschätzung mit kaum verhohlenem Unmut darüber, dass Kuhn am Montag in einem Brief an den Infrastrukturvorstand Volker Kefer die Bahn darum bat, die Sachlage zu klären. Im Bezug auf die Gutachten pro Eisenbetonpfähle, die von der Bahn während der Schlichtung vorgelegt wurden und über die auch auf der Internetseite der Stadt berichtet wird, sagte Dietrich: „Kuhn kennt die Hintergründe nicht.“ Er werte den Brief des OB aber nicht als Affront oder als Bösartigkeit, „er hat Fehlinformationen erhalten“. Dietrich empfahl Kuhn, sich künftig vorab zu informieren. Die Stadt sei ein Projektpartner, und „es wäre besser gewesen, wenn Kuhn bei den eigenen Leuten, die sich auskennen, und bei der Bahn nachgefragt hätte“, sagte Dietrich, „dann hätte er die Fakten auf dem Tisch gehabt“.

Für die Bahn ist seit Jahren klar: Es sind Eisenbetonpfähle

Für den Projektsprecher stellen sich die Fakten so dar, dass seit Jahren geklärt sei, dass der Bahnhofsturm auf Eisenbetonpfählen steht. Schon vor mehr als drei Jahren und während der Schlichtung habe die Bahn Gutachten vorgelegt, wonach in der statischen Berechnung des Turmfundaments der Firma Wayss & Freytag aus dem Jahr 1914 folgender Passus enthalten ist: „Die gesamte Turmlast von 10 300 Tonnen wird durch 289 Eisenbetonpfähle auf den Boden übertragen.“ Aufgrund dieser Unterlagen und der Tatsache, dass im Bereich des Südflügels Eisenbetonpfähle frei gelegt wurden, „ist davon auszugehen, dass im gesamten südöstlichen Bereich Eisenbetonpfähle eingerammt wurden“, stellte die Studie fest, die vom Experten Walter Lächler während der Schlichtung vorgestellt wurde – worauf der Schlichter Heiner Geißler zu dem, auch von Projektgegnern wie Peter Conradi akzeptierten Ergebnis kam: „Es ist Eisenbeton . . . Dann kann man das ad acta legen.“

Die Kritiker haben Zweifel – auf aufgrund einer Bahnbroschüre

Die neuerliche Debatte hatte vor zwei Wochen Peter Dübbers ausgelöst, der Enkel des Bahnhofsarchitekten Paul Bonatz. Er erinnert sich an Aussagen seines Großvaters, wonach dieser von Eichenpfählen sprach. Dübbers befürchtet, dass die Eichenpfähle während der Bauarbeiten mit Sauerstoff in Berührung kommen und dann faulen könnten. Er forderte deshalb den Stuttgarter Gemeinderat auf, sich für eine Sondierungsbohrung einzusetzen, damit die Frage einer möglichen Gefährdung des Turms geklärt sei. Dies griffen die Fraktionen der Grünen und der SÖS/Linke auf.

Inzwischen berichten auch weitere Bürger im Internet und in Anrufen an die Stuttgarter Zeitung von Erzählungen in ihren Familien, an Schulen und bei Bahnhofsführungen, in denen von Eichenpfählen die Rede war. Die „Kontext-Wochenzeitung“ zitiert einen ehemaligen Bahn-Mitarbeiter, der die Holzgründung „mit eigenen Augen“ gesehen haben will. Als Indiz gilt auch die Erwähnung in einer, von der Bahn herausgegeben Broschüre zum 65-Jahr-Jubiläum des Hauptbahnhofs, in der an zwei Stellen von Eichenholzpfählen (die StZ berichtete) die Rede ist.

Dies nahm Kuhn zum Anlass für seinen Brief. „Wir haben zwei Publikationen der Bahn mit unterschiedlichen Fakten“, begründete sein Sprecher Andreas Scharf am Mittwoch, „wir wollen von der Bahn eine Klärung dieses Widerspruchs.“ Außerdem gehe es darum, welche Vorsichtsmaßnahmen von der Bahn ergriffen würden.

Die Frage, aus welchem Material die Pfähle sind, beschäftigte auch den mit Experten von Bahn, Land und Stadt besetzten S-21-Arbeitskreis Wasserwirtschaft. Laut einem nichtöffentlichen Protokoll stellt dort ein Gutachter fest, dass, falls Eichenpfähle verwendet wurden, dies „das Grundwasserbewirtschaftungskonzept für das unmittelbare Umfeld infrage stellt“. Auch er fordert einen verbindlichen Nachweis.

Dietrich hält dies für überflüssig. „Die Ingenieure wissen, wie damit umzugehen ist“, sagte er. „Wir gehen davon aus, dass der Bahnhofsturm genauso wenig umkippt wie alle anderen Gebäude neben Baugruben.“