Im November will die Bahn das letzte Stück des Fildertunnels angehen. Dann werden bergauf rund 3400 Meter der Röhre aus dem Gestein gefräst und die Tunnelwand aus Fertigteilen zusammengesetzt.

Stuttgart - Bisher ging es für die Mineure auf der riesigen Bohrmaschine im Fildertunnel immer geradeaus, kilometerweit von der Filderebene abwärts fast bis in die City. In den nächsten drei Monaten müssen die Spezialisten mit dem 120 Meter langen Vehikel, das am Schneidrad einen Durchmesser von 10,82 Meter hat, rund 70 Meter unter der Erde die Kurve kriegen. Der Bohrer allein wiegt rund 1000 Tonnen. Die 180-Grad-Wende im Berg ist ein außergewöhnliches Vorhaben.

 

„Wir haben ein wichtiges Etappenziel geschafft, alles ist vorbereitet, die Maschine muss nur noch die Kurve kriegen“, sagt Günter Osthoff (63), der Verantwortliche für diesen Abschnitt des Großprojekts Stuttgart 21, mit der nötigen Gelassenheit.

Am Dienstag geht Osthoff im Anzug in den Berg. „Nur heute, denn heute wird gefeiert“, erklärt der Bauingenieur. Alle, die mitgearbeitet haben, werden zusammensitzen. Die Tunnelpatin Beate Dietrich, Bezirksvorsteherin in Stuttgart-Wangen und Patin für die Tunnel unter dem Neckar, wird für die urlaubende Tunnelpatin Tülay Schmid sprechen.

Wende auf Luftkissen

An diesem Mittwoch gehen die Arbeiten schon weiter. Für die Wende braucht es laut Thomas Berner, Teamleiter der Deutschen Bahn, viel Luft, viel Druck und natürlich viel Augenmaß, denn der Abstand zwischen den Tunnelwänden und der Maschine ist nicht üppig. Er beträgt rundum etwa zehn Zentimeter. Um den U-Turn zu ermöglichen, haben die Ingenieure und Mineure unter dem Wagenburgtunnel eine Kaverne aus dem Fels gesprengt, die die beiden je eingleisigen Röhren des Fildertunnels miteinander verbindet. Nach getaner Arbeit wird dieser Hohlraum verfüllt. „Unser Team ist stolz, dass wir diesen Punkt im Projekt nun erreicht haben“, sagt Andreas Rath, der Geschäftsführer der bauausführenden Arbeitsgemeinschaft.

Für die 180-Grad-Wende wird die Maschine mit hydraulischen Pressen bewegt. Der Bohrkopf muss auf ein Luftkissen manövriert werden, dann geht es ums Eck. Die sechs sogenannten Nachläufer, von denen aus die Maschine mit Beton-Fertigteilen für die Montage des Tunnelrings versorgt und der Gesteinsausbruch in Richtung Filder abtransportiert wird, ändern auf mehrachsigen Schwerlastrollen die Richtung. Nach der Montage sind noch rund 3400 Meter bergauf zu graben.

Es wird auch noch gesprengt

Der Fildertunnel wird in vier Abschnitten maschinell hergestellt. Nach dem Ausfräsen der ersten rund vier Kilometer wurde sie zurückgezogen, dann die Parallelröhre, in der sie nun steht, nahezu komplett gegraben. Das Mittelstück im Fildertunnel, rund 1,1 Kilometer lang, ist konventionell (Sprengung, Spritzbeton) gebaut worden. Dort sind dickere Wände und Vorkehrungen gegen Wasser nötig. Mit den Fertigteilen (Tübbinge), die die Maschine verbaut, war das nicht machbar.

Im Tal sind von der jetzigen Röhre bis zum Hauptbahnhof noch rund 240 Meter zu graben, im letzten Stück sehr knapp unter Häusern hindurch. Diese Strecke wird konventionell hergestellt. Die frühere Planung sah vor, vom Bahnhof aus in den Berg zu gehen, nun kommt man aus der Gegenrichtung. „Wir tun alles, um die Bahnhofsbaustelle zu entlasten“, sagt Osthoff. Sie ist zeitlich stark in Verzug.

Ende 2021 soll der Tunnel fertig sein

Ende 2020 soll der Ausbau des Fildertunnels beginnen, Ende 2021 könnte er abgeschlossen sein. Die Bohrmaschine, laufende Nummer 738 aus der Fertigung des Weltmarktführers Herrenknecht (Schwanau) wird dann zerlegt sein. Die Firma kauft sie in der Regel zurück, Teile davon können weiter verwendet werden.

Für Stuttgart 21 sind sonst keine derartigen Maschinen im Einsatz, die Bahn hatte dies auch für den Fildertunnel zunächst nicht geplant, Projektgegner rieten aus Kostengründen früh dazu. Auf der Strecke nach Ulm werden im Boßlertunnel (8806 Meter) und für den Albvorlandtunnel (8176 Meter) Maschinen von Herrenknecht eingesetzt – die Nummern 1024 und 1025.