SPD und CDU im Rathaus wollen schon länger von den Spannungen im Aktionsbündnis gewusst haben und sehen den Ausstieg der Grünen im Kommunalwahlkampf begründet. Die verbliebenen Projektgegner hoffen auf neue Mitglieder.

Stuttgart - Der Ausstieg der Grünen und dreier Umweltverbände aus dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hat die meisten Politiker in der Landeshauptstadt nicht überrascht. Wie bereits am Mittwoch auf StZ-Online berichtet, haben der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Verkehrsklub Deutschland (VCD), der Fahrgastverband Pro Bahn und der Kreisverband der Stuttgarter Grünen ihre Mitarbeit in dem Bündnis wegen unterschiedlicher Auffassungen über den weiteren Kurs beendet. Die vier Aussteiger wollen aber „in eigener Regie“ gegen den Tiefbahnhof kämpfen und das Aktionsbündnis punktuell unterstützen.

 

Peter Pätzold, Fraktionschef der Grünen im Gemeinderat, kommentierte dies mit: „Der Widerstand wird dadurch nicht auseinanderfallen, sondern jeder konzentriert sich jetzt auf seine Themen. Auf der einen Seite gibt es die fachliche Arbeit, auf der anderen die Aktionen.“ Bei den strittigen Punkten im Bündnis nennt er auch die Montagsdemos und die Frage, wo und ob sie überhaupt noch stattfinden sollten.

Der Sprecher des Aktionsbündnisses, Eisenhart von Loeper, glaubt nicht daran, dass die Montagsdemos an Zulauf einbüßen werden. „Sicher wird der Einfluss der Grünen nicht mehr so sichtbar sein“, sagte der parteilose Jurist. Der Prostest werde aber auch nicht „in die Arme der Linken laufen“. Anders als diejenigen, die dem Bündnis den Rücken kehrten, seien die Verbliebenen der Ansicht, „dass die von der Bahn mit falschen Zahlen beeinflusste Volksabstimmung über S 21“ das Projekt nicht legitimiere und der Beschluss des Bahn-Aufsichtsrats über die Mehrkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro nicht rechtens gewesen sei.

Bündnissprecher für Marktplatz als Ort für die Montagsdemos

Von Loeper rechnet damit, dass sich neue Gruppen wie etwa die Initiative „Wiki Real“ dem Aktionsbündnis anschließen werden. Zugleich erklärte er, es gebe im Aktionsbündnis breite Unterstützung dafür, die Montagsdemos künftig regulär auf dem Marktplatz abzuhalten: „Anlassbezogene Abweichungen davon müssen möglich sein, sollten aber die Ausnahme bleiben.“

Auch im Rathaus gibt es Resonanz. Die SPD-Kreisvorsitzende Roswitha Blind sagte: „Mit dieser Entwicklung war zu rechnen, weil es in dem Aktionsbündnis schon länger erhebliche Spannungen gegeben hat.“ Der Ausstieg von vier Mitgliedern zeige, dass sich bei diesen eine realistischere Einschätzung bezüglich des Bahnprojekts ergeben habe. „Bei den Grünen, beim VCD, BUND und Pro Bahn werden endlich Realitäten akzeptiert, statt den Dauerprotest gegen den Tiefbahnhof zum Prinzip zu erheben“, betont die S-21-Befürworterin.

Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Alexander Kotz ist der Ausstieg der Grünen ein klares Zeichen. Diese hätten gemerkt, „dass die Stimmungslage zu Stuttgart 21 gekippt ist und ihnen vor der Kommunalwahl die Felle davonschwimmen“. Er hält es für inakzeptabel, dass die Grünen den Widerstand außerhalb des Aktionsbündnisses weiter fortsetzen wollten. „Das Schienenprojekt ist per Volksentscheid beschlossen worden. Deshalb kann eine verantwortungsvoll handelnde Partei das Projekt natürlich kritisch begleiten, aber nicht bekämpfen.“

Protestveteran Gangof Stocker setzt auf S-21-Selbstzerstörung

SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch sieht in der Trennung eine Chance. „BUND, VCD und Pro Bahn können sich nun auf ihre anerkannt gute Facharbeit gegen Stuttgart 21 konzentrieren.“ Das diene auch dem Ziel, mehr Widerstand zu mobilisieren. „Viele Paare verstehen sich nach einer Trennung wieder besser“, so Rockenbauch. Wichtig sei, dass Grüne und die Verbände das parteifreie Bündnis weiterhin bei Aktionen unterstützten. „Ich fühle mich in beiden Lagern zu Hause“, so Rockenbauch.

Auch für Thomas Adler, Sprecher der Linken im Gemeinderat, bedeutet die Abspaltung der Grünen und der Verbände „kein Ende des friedlichen Protests gegen Stuttgart 21“. Die Linke unterstütze weiterhin die Montagdemos, die ein unverzichtbarer Teil der Bewegung seien. Für den S-21-Protestveteranen Gangolf Stocker hat sich das Aktionsbündnis durch zu viel Aktionismus selbst beschädigt. „Jeder durfte immer mehr das machen, was er wollte.“ Stocker will seinen Kampf gegen das Bahnprojekt jetzt auf die noch nicht planfestgestellte Fildertrasse konzentrieren. Außerdem setzt er bei Stuttgart 21 auf den Selbstzerstörungsmechanismus: „Das Projekt wird wegen seiner vielen Widersprüche implodieren.“