Trubel auf der Baustelle: Der Verein „Bahnprojekt Stuttgart-Ulm“ macht die S21-Baustellen am Hauptbahnhof drei Tage lang für die Allgemeinheit zugänglich. Noch bis Sonntag können sich Besucher die Fortschritte bei Stuttgart 21 anschauen.

Stuttgart - Warum er die „Tage der offenen Baustelle“ in Stuttgart besucht, darüber muss Christoph Schopf aus Gerlingen nicht lange nachdenken. „Die Bagger!“, sagt er und erntet Gelächter seiner fünf Kumpels, mit denen er heute gekommen ist. „Hier gibt es einfach alles, was große Jungs begeistert“, sagt Schopf. Das sieht auch Marius Hinzel so. „Schon allein die Dimensionen, die sich hier abzeichnen, sind gigantisch“, so Hinz. „Dass man einfach ein riesiges Loch mitten in Stuttgart gegraben hat, ist der Wahnsinn“, findet Ralf Scheck, der ebenfalls aus Gerlingen gekommen ist.

 

Zusammen stehen sie vor der „Musterkelchstütze“, ein Modell der 28 Stützen, die einmal das Dach des neuen Hauptbahnhofs tragen sollen. Acht mal größer als das Modell werden diese sein. Das Design des elegant geschwungenen Stahlbetons begeistert Peter Oechsle. „Dieser porenlose, glatte Beton, das ist schon irre“, schwärmt der Architekt, der die Baustelle mit seiner Frau besichtigt.

Noch bis Sonntag kostenloser Zugang

Drei Tage lang, vom 6. bis 8. Januar, öffnet der Verein „Bahnprojekt Stuttgart-Ulm“ die 600 Meter lange Baustelle jeweils von zehn bis 16 Uhr kostenlos für die Allgemeinheit. Besucher können sich frei auf dem Gelände bewegen, an jedem Punkt stehen Fachleute in orangefarbenen Westen und beantworten Fragen zu allen erdenklichen Themen: Vom Grundwassermanagement über den Artenschutz bis hin zur Projektfinanzierung. „Letztes Jahr waren wir vom Ansturm völlig überrascht“, sagt Georg Brunnhuber, Vorsitzender des Vereins. 30.000 Besucher waren im vergangenen Januar gekommen.

Am späten Freitagvormittag herrscht bereits reger Betrieb auf der Baustelle: Die Bahnhofsmission schenkt Glühwein aus. Kleinkinder sitzen auf Spielzeugbaggern und fahren über einen extra aufgeschütteten Sandhaufen, während die Erwachsenen einen Übersichtsplan in Augenschein nehmen, der an einem Bauzaun hängt. Viele Besucher kämen, um sich allgemein über den Fortschritt des Projekts auf dem Laufenden zu halten, erklärt Verkehrsingenieur Matthieu Boullie von der Bahn. „Es gibt aber auch sehr spezielle Fragen. Es kommen zum Beispiel Besucher von der Alb, die Fragen zum Bahnhof in Merklingen haben“, so Boullie. Auch die neue S-Bahn-Station „Mittnachtstraße“ oder die Stadtbahnstation „Budapester Platz“ der Linie U12 seien beliebte Themen. „Die Grundstimmung ist neugierig und interessiert“, sagt Boullie, auch kritische Töne höre man freilich hier und da. „Das ist aber auch gewünscht“, versichert der Ingenieur.

„Wir sind Schwaben, wir schaffen das“

Insgesamt zwölf Stationen sind an den Tagen der offenen Baustelle für die Allgemeinheit zugänglich. Bei einem Blick in die Baugrube 16 (Station 5) zeichnen sich bereits die Bahnsteige ab. „Da erahnt man schon, wie die Bahnhofshalle aussehen wird“, sagt der 27-jährige Andreas Seitz aus Winnenden, der mit seiner Freundin da ist. Es sei toll, so Seitz, dass die Bahn das Gelände zugänglich mache. Ob der Bahnhof wohl rechtzeitig fertig wird? „Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass sie es im Griff haben – das war letztes Jahr nicht unbedingt der Fall“, sagt Seitz.

Skeptischer ist da schon Martin Haas aus Kaisersbach. Er steht an Station 11, der zukünftigen Tunnelröhre der Stadtbahnhaltestelle „Staatsgalerie“. 50 Meter weit dürfen die Besucher in die Röhre hineinlaufen. „Ich habe vermutet, dass das Projekt weiter fortgeschritten ist“, sagt der 52-jährige. Zwei Jahre länger als geplant werde es gehen, da ist er sich sicher. Am Ende werde es aber gutgehen. „Wir sind Schwaben, wir schaffen das schon“, so Haas.

Wer sich ein virtuelles Bild vom neuen Bahnhof machen will, muss sich erst gar nicht auf die Baustelle vorwagen. In einem kleinen Pavillon im Bonatzbau schnallen sich Besucher unter Anleitung eine Brille um, mit der sie sich virtuell im neuen Bahnhofsgebäude bewegen. „Holodeck“ nennt sich die High-End-Technologie der Stuttgarter Firma „lightshape“, die erst seit dem 3. Januar auf dem Markt ist. „Zahlen und Daten sind das eine, aber durch diese Technik wird der neue Bahnhof wirklich erlebbar“, sagt David Bösinger, Pressesprecher des Vereins.