Der Ex-Bundestagsabgeordnete von der CDU und Bahnlobbyist Georg Brunnhuber wurde auch mit der Stimme des Landes zum Vorsitzenden des Projektvereins gewählt. Das Land, das seit dem grün-roten Wahlsieg seine Mitgliedschaft ruhen ließ, gibt diese Haltung auf.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Nach zweieinhalb Stunden ist weißer Rauch aufgestiegen. Georg Brunnhuber folgt auf Wolfgang Dietrich an der Spitze des Vereins Bahnprojekt Stuttgart–Ulm e. V. Die am Manfred-Rommel-Flughafen tagende Mitgliederversammlung wählte den 66-Jährigen einstimmig. Auch Uwe Lahl, Amtschef des von Winfried Hermann (Grüne) geführten Verkehrsministeriums, stimmte für den von der Bahn vorgeschlagenen ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten aus dem Ostalb-Kreis. Mit der Teilnahme an der Versammlung kehrt das Land wieder in den Kreis der Vereinsmitglieder zurück. Nach dem grün-roten Wahlerfolg im März 2011 ließ das Land seine Mitgliedschaft ruhen.

 

Vor allem die Stadt Stuttgart hatte im Vorfeld des Ausscheidens von Wolfgang Dietrich Anstrengungen unternommen, das Land wieder zu einer aktiven Rolle im Bahnprojekt Stuttgart–Ulm e. V. zu bewegen. Zuletzt hatte das Verkehrsministerium an eine Rückkehr in den Verein Bedingungen geknüpft. Von einem „Ende der Kampfrhetorik“ war da unter anderem die Rede, was nicht allen Mitgliedern in dieser Situation hilfreich erschien.

Schlussendlich konnten sich die Beteiligten im Vorfeld der Sitzung aber auf Änderungen an der Satzung einigen – und auf eine neue Geschäftsverteilung. So übernimmt die Bahn die Kommunikationsaufgaben für den eigentlichen Bau des neuen Stuttgarter Eisenbahnknotens und der Hochgeschwindigkeitsstrecke Wendlingen-Ulm. Der Verein kümmert sich um das Turmforum und um Führungen auf den Baustellen. „Der Verein hat die Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger von Baden-Württemberg aktiv und umfassend über das Bahnprojekt zu informieren“, sagte Brunnhuber nach seiner Wahl zum Vorsitzenden.

Anders als sein Vorgänger Wolfgang Dietrich trägt er allerdings nicht mehr die Amtsbezeichnung „Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm“. So sieht es das neue, überarbeitete Vereinsstatut vor, das die Mitgliederversammlung allerdings noch nicht verabschieden konnte, da es zunächst von den politischen Gremien der Stadt und des Verbands Region Stuttgart formal beschlossen werden muss.

Teilnehmer der Sitzung, zu der auch der Bahninfrastrukturvorstand Volker Kefer angereist war, berichten von teils hitzigen Wortgefechten. Insbesondere dass Brunnhuber bereits in Medien seiner ostwürttembergischen Heimat über seine künftigen Aufgaben räsonierte, bevor er ins Amt gewählt wurde, stieß dem einem oder anderen Vereinsmitglied sauer auf.

Brunnhuber, der in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter auch dem Bahn-Aufsichtsrat angehörte und zuletzt als „Sonderbeauftragter für Politik des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn“ Lobbyarbeit für den Schienenkonzern machte, wird künftig dem dann mit sechs Personen besetzten Vereinsvorstand vorstehen. Alle Vereinsmitglieder – die Deutsche Bahn AG, die DB Station & Service AG, die DB Netz AG, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und der Verband Region Stuttgart – entsenden je ein Vorstandsmitglied. Brunnhuber vertritt eines der Bahnunternehmen. Damit ist die Parität im Vorstand wieder hergestellt, die den eher projektskeptischen Partnern wichtig ist. Selbige war perdu, seit Udo Andriof im Mai 2011 das Sprecheramt niederlegte und Wolfgang Dietrich allein in dieser Funktion weitermachte. Für den ehemaligen Regierungspräsidenten, der den Part von Land, Stadt und Region übernahm, fand sich kein Nachfolger.

Brunnhuber saß 19 Jahre lang für die CDU im Bundestag. Unter anderem war er Obmann der Unionsfraktion für den Bereich Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung sowie Chef der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg und Vorsitzender der Verkehrskommission der CDU-Mittelstandsvereinigung. In Stuttgart hatte Brunnhuber, der im Februar seinen 67. Geburtstag feiert, ein Studium an der Hochschule für Technik als Diplomingenieur für Architektur und Hochbau mit dem Schwerpunkt Städtebau abgeschlossen.

Die Neuwahl war nötig geworden, da Dietrich das Sprecheramt zum Ende des vergangenen Jahres niedergelegt hatte. Der Unternehmer aus Leonberg war im September 2010 zusammen mit Andriof Nachfolger des Projektsprechers Wolfgang Drexler geworden. Der SPD-Landtagsabgeordnete hatte sich nicht zuletzt wegen Querelen in seiner Partei im Hinblick auf den milliardenschweren Umbau des Bahnknotens vom Posten des Stuttgart-21-Sprechers zurückgezogen.

Wie weit es mit der von einigen Sitzungsteilnehmern beschworenen wiedergefundenen Harmonie zwischen den Vereinsmitgliedern her ist, wird sich noch weisen müssen. Das Miteinander wurde gleich im Anschluss des Treffens auf eine erste Bewährungsprobe gestellt. Die Abstimmung, welches Bild von der Mitgliederversammlung via Pressemitteilung in die Öffentlichkeit transportiert wird, dauerte mehr als zwei Stunden.