Die Bundesregierung hat interne Papiere zu Stuttgart 21 teilweise freigegeben. Die Unterlagen wecken Zweifel, wie offen die Entscheidung über das Bahnprojekt war, kommentiert Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ernsthaft dürften auch die Anwälte der Bundesregierung kaum annehmen, dass Stuttgart 21 noch einmal grundsätzlich in Frage gestellt werden könnte. Doch sie greifen nach jedem Argument, um die Herausgabe weiterer ungeschwärzter Akten zu dem Bahnprojekt zu verhindern – auch wenn sie die Bahn damit in Verlegenheit bringen. Umso bemerkenswerter ist, dass das Kanzleramt trotz eines laufenden Prozesses nun weitere Passagen aus seinen Unterlagen frei gibt. Die Chancen der Projektgegner, ihre Auskunftsrechte vor Gericht durchzusetzen, erschienen wohl zu gut; da lenkt man lieber ein.

 

Was jetzt offengelegt wird, zeigt einmal mehr, unter welchem politischen Druck vor zwei Jahren trotz Milliarden-Mehrkosten der Weiterbau von Stuttgart 21 durchgesetzt wurde. Es ging nicht in erster Linie um Sachfragen, sondern um Macht und Prestige – zumal sich die Kanzlerin klar zu dem Projekt bekannt hatte. Nun schüren die Papiere neue Zweifel, ob die Vertreter des Bundes im Bahn-Aufsichtsrat wirklich frei entscheiden konnten. Die näheren Umstände könnte letztlich wohl nur die Berliner Justiz erhellen. Man darf gespannt sein, ob die Untreue-Anzeige der Projektgegner diesmal Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auslöst und ob das Verwaltungsgericht doch noch für mehr Transparenz bei den Akten sorgt.