Das Bahnprojekt Stuttgart 21 droht nach einer Einschätzung des Bundesrechnungshofes erheblich teurer zu werden. Keiner will die Kosten übernehmen.

Stuttgart - Die Erkenntnisse des Bundesrechnungshofs, wonach das Projekt Stuttgart 21 statt 6,5 Milliarden bis zu zehn Milliarden Euro kosten könnte, beunruhigen die Baupartner Land und Stadt. Die DB-Projektgesellschaft nannte die Berichte unserer Zeitung über die zehn Milliarden am Mittwoch „nicht belastbar“.

 

Der Rechnungshof habe seinen Bericht weder veröffentlicht, noch dazu Stellung genommen. Man werde S 21 im Finanzierungsrahmen von 6,5 Milliarden Euro bauen. Damit bekräftige man die „Ergebnisse einer aktuellen umfänglichen Bestandsaufnahme des Projekts“, teilte die S-21-Baugesellschaft mit.

Das von Bahn-Vorstand Volker Keferverkündete Ergebnis der Bestandsaufnahme für den Bahn-Aufsichtsrat war aber nicht nur, dass die Baukosten gerade noch um 15 Millionen Euro unter der vom Aufsichtsrat definierten Schmerzgrenze liegen, sondern dass „extern induziert Kostenrisiken“ von 623 Millionen Euro aufgelaufen sind. Davon sollen 524 Millionen Euro eingespart werden. Wie genau? Man prüfe „permanent Einsparmöglichkeiten in allen Bereichen“. Die 623 Millionen Euro werden auf der S-21-Homepage in den Unterlagen des S-21-Lenkungskreises nicht dargestellt. Diese Kostenrisiken seien „zwar misslich“, änderten aber nichts am Gegegensteuerungsbedarf von 524 Millionen Euro, so ein Projektsprecher. Insgesamt 99 Millionen Euro Mehrkosten sind demnach bereits akzeptiert.

Kuhn will Stellungnahme des Bundes

OB Fritz Kuhn (Grüne) forderte am Mittwoch in einer Sitzung des Gemeinderates den Bund auf, für Kostenklarheit zu sorgen. „Es ist an der Zeit, dass der Verkehrsminister und das Kanzleramt Stellung nehmen“, so Kuhn. Der Bund müsse entscheiden, ob er die Mehrkosten trage. Das lehnt Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ab. Kuhn und Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) denken an eine Sondersitzung des S-21-Lenkungskreises, und zwar erstmals mit Beteiligung des (bisher nie anwesenden) Bundesvertreters und eines Vertreters des Rechnungshofes.

Hermann sagte, die Kostenentwicklung sei Besorgnis erregend, der Prüfbericht müsse umgehend offen gelegt werden.

Gegner werben für Demo am Samstag

In diesem Sinn argumentieren auch der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir und der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel. „Bei Stuttgart 21 braucht es endlich Ehrlichkeit und Transparenz. Die Bundesregierung trägt einen Großteil der Verantwortung für dieses Milliardengrab“, sagten sie. Das Verkehrsministerium dürfe die Prüfungen des Bundesrechnungshofes nicht weiter blockieren.

Im dem Ausschuss des Gemeinderates sollte erneut die Frage entschieden werden, ob die Stadt zwei Bürgerbegehren, die auf den Ausstieg aus dem Projekt zielen, angenommen werden. Kuhn sagte, bei dieser reinen Rechtsfrage sei aus Sicht des städtischen Gutachters nur eine Ablehnung möglich. Die Entscheidung wurde aber vertagt. Sie soll im Rahmen einer Sitzung des S-21-Ausschusses fallen, zu der Kuhn die Bahn und Experten der Gegnerseite einladen will. Erwartungen von Hannes Rockenbauch, Fraktionschef von SÖS/Linke-plus, enttäuschte er: „Das wird kein Faktencheck, keine Schlichtung, und es wird keine externe Moderation geben.“ Rockenbauch warf dem Gutachter der Stadt schlampige Arbeit vor. Der Rat treffe eine politische Entscheidung über das Projekt, Gerichte dann die juristische.

BUND befürchtet Bauruine wie in Berlin

Die organisierten Projektgegner wollen am Samstag, 16. Juli, für Alternativen zu S 21 demonstrieren.Um 13.30 Uhr soll eine „Demo für den Umstieg“ auf dem Schlossplatz stattfinden, teilten die Parkschützer mit.

„Es ist höchste Zeit, sich von der Grube zu verabschieden und über Alternativen nachzudenken“, erklärte Sprecher Matthias von Herrmann. Die Linke im Land richtete die Forderung an Verkehrsminister Hermann, „kein weiteres Landesgeld für das gescheiterte Tunnelprojekt“ mehr zu überweisen. Landesgeschäftsführer Bernhard Strasdeit warf Bahnchef Grube und seinem Technik-Vorstand Volker Kefer vor, sie hätten das Land bei der letzten Lenkungskreis-Sitzung von Stuttgart 21 vor einer knappen Woche offensichtlich erneut getäuscht.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz fordert einen Baustopp. Es drohten jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen um die Verteilung der Mehrkosten. Das Projekt drohe zu einer „vor sich hin dümpelnden Bauruine zu werden wie der Flughafen Berlin-Brandenburg“, sagte BUND-Vorsitzende Brigitte Dahlbender.